Nachbarstreit wird Quotenhit

■ Knallerbsenstrauch gegen Maschendrahtzaun: Wie ein unbedachter Fernsehauftritt der sächsischen Hausfrau Regina Z. einen Hit und sie reich, aber inzwischen verrückt machte

Es sind Fehler gemacht worden. Sie werden sie nicht mehr los, die Geister, die sie riefen. Keimzelle allen Übels ist wohl kaum der Maschendrahtzaun der Regina Z. Auch nicht der Knallerbsenstrauch ihres Nachbarn, der eben diesen Zaun durch seine hartnäckige Umklammerung zum Rosten gebracht haben soll. Vielmehr ist Fehler Nummer eins eher in der Engstirnigkeit von Frau Z. zu sehen, die, außer Stande, sich mit ihrem Nachbarn zu einigen, eben den verklagte.

Ihr zweiter Fehler war, diesen Zaunzwist von Sat.1-Scharf-„Richterin Barbara Salesch“ lösen zu lassen. Die gab nämlich dem Nachbarn Recht, worüber sich Frau Z. zu echauffieren begann – und zwar im schönsten Sächsisch. In seiner medienkritischen Pro7-Fernsehshow „TV total“ verulkte Raab den realsatirischen Auftritt der sächsischen Hausfrau. Zunächst zu Recht: Wer sich nachmittags durchs Fernsehprogramm zappt, dem stellt sich nahezu zwangsläufig die Frage nach dem geistigen Zustand der Talkshow-Gäste, der Fernsehzuschauer, der Fernsehmacher, schlussendlich der ganzen Nation. Und weil Raabs Ulk so gut ankam, produzierte er zusammen mit den Brummifahrermuckemachern von Truck Stop rasch den Country-Song „Maschendrahtzaun“, der seither den Äther okkupiert und inzwischen nicht nur Frau Zindler in den Wahnsinn treibt.

Die hatte nämlich derweil schon Fehler Nummer drei und vier begangen: Sie erlaubte Stefan Raab, sowohl ihr unnachahmliches „Moschähndroahtzaon“ im Liedrefrain als auch ihr Bild im dazugehörigen Video zu verwursten. Die CD hat sich inzwischen fast 800.000-mal verkauft und damit nicht nur Raab, sondern auch Frau Z. um ein hübsches Sümmchen reicher gemacht. Frau Z. selbst streicht nämlich 10 Pfennig pro Exemplar ein – das macht satte 80.000 Mark. Doch die Geschichte kippte noch einmal. Raab, der die boulevardeske Gerichtsfarce anarchisch veralberte, ist längst nicht mehr am Ball.

„Meine Probleme scheinen Herrn Raab nicht zu interessieren. Was mir jetzt widerfährt, das ist ihm ganz egal“, beklagte sich jüngst Frau Z. Bild, „Blitz“ & Co. nahmen den Steilpass dankend an. Das Spiel geht weiter und droht in die Verlängerung zu gehen: So wollte Sat.1 am Sonntag direkt am Zaun eine Party veranstalten und diese als „Blitz“-Livesendung in die Wohnzimmer verstrahlen. Doch die Party fällt nun aus. Wie der Sprecher des Senders, Dieter Zurstrassen, gestern sagte, droht die Situation rund um das Haus von Frau Z. zu eskalieren. Bereits in der Nacht zum Freitag seien Zaunfans randalierend durch Auerbach gezogen und hätten mit einem Beil Stücke aus dem Zaun geschlagen und den berühmten Knallerbsenstrauch entwurzelt.

Egal, die Party hätte ohnehin ohne Frau Z. steigen müssen. Denn Z., inzwischen bei RTL unter Vertrag, brauchte eine kurze Rummelpause. Sie soll zusammen mit Ehemann und Katze irgendwo zwischen Leipzig und dem Roten Meer untergetaucht sein – letzter Stand: Paris. Trotzdem wird es Liveschaltungen vom Tatort geben. Sat.1 plant die große Versöhnungsinitiative. Endlich sollen sich Frau Z. und ihr widerspenstiger Nachbar wieder lieb haben. Und alle sollen es sehen.

Stefan Raab beteuert unablässig: „Diese Form der Boulevard-Unterhaltung ist nicht in meinem Sinne.“ Er selbst glaubt, keine Fehler gemacht zu haben. Der Fernsehzeitung TV Today sagte er im Interview: „Die Leute, die wir einladen, wissen, was Sie tun. Die sind ja vorher freiwillig in den Medien aufgetreten.“ Ätsch! Also ist die „mediengeile Olle“ doch selbst schuld – wie im Gästebuch auf der viel besuchten Internet-Seite www.maschendrahtzaun.de vermerkt wurde? Trifft die Medien denn gar keine Schuld?

Ein entschiedenes „Doch“ ist aus Dresden zu hören. Es stammt vom Medienexperten Wolfgang Donsbach, Professor an der TU Dresden. Die Medien träfe sehr wohl Schuld, „weil mit ungewöhnlichen Mitteln und durch Ausschlachten persönlicher Schicksale Quote und Auflage gemacht wird“. Diese These ist zwar nicht eben neu, muss deshalb aber noch lange nicht falsch sein. Schließlich wiederholte Sat.1 die besagte Folge der Gerichtssendung wohl kaum, weil die Urteilsbegründung von Richterin Barbara Salesch so beispielgebend formuliert war.

„Es gibt ein hinreichendes Angebot an Qualitätsjournalismus, genutzt wird aber der Sensationsjournalismus“, bemerkt Donsbach dazu messerscharf und fordert die Journalisten auf, sich stärker gegen diese Boulevardisierung zu wehren. Das dürfte vielen schwer fallen, zumal bei Sat.1. Deren Chef schottet sich gegen solche Anfeindungen stets mit der Feststellung ab, Journalismus bei Sat.1 sei immer Boulevard-Journalismus. Die Quote gibt ihm Recht.

Jan Rosenkranz