Es geht um die Frage, ob der Staat erpressbar ist

Die Berliner PDS-Vorsitzende Petra Pau befürchet, dass auch andere Demonstrationen durch Gewaltandrohungen verhindert werden können. Parteibasis kritisiert die Verschiebung der Feier

taz: Frau Pau, Sie mussten sich gerade von aufgebrachten Genossen vor dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde vorwerfen lassen, dass Sie die Gedenkveranstaltung für Rosa Luxemburg verschoben haben, weil eine Drohung vorlag.

Petra Pau: Dieser Vorwurf kam nicht nur von Genossen, sondern von Bürgerinnen und Bürgern, die zum Teil quer durch die Bundesrepublik angereist sind. Sie wollten nicht, dass ich für sie das Verbot der Veranstaltung akzeptiere. Aber es gibt auch PDS-Mitglieder, die das als Zurückweichen kritisieren. Ein Teil von ihnen unterstellt, dass es sich um eine von langer Hand vorbereitete Provokation der Polizei handelt, mit der diese Veranstaltung verhindert werden soll. Und wir seien darauf hereingefallen. Die anderen unterstellen, dass es tatsächlich eine Bedrohung gibt, werfen mir aber vor, dass ich von der Polizei nicht konsequent genug gefordert habe, die Demonstration zu schützen. Andere werfen mir vor, dass ich nicht juristisch gegen das Verbot vorgegangen bin.

Haben Sie deshalb die Bitte der Polizei abgelehnt, die Veranstaltung von sich aus zu verschieben?

Ja. Ich habe damit gerechnet, dass solche Vorwürfe kommen. Seit Freitag stehe nicht nur ich, sondern auch der PDS-Landesvorstand vor der Frage, wie gehen wir mit dieser Situation um. Wir haben uns auch mit PDS-Parteichef Lothar Bisky und Fraktionschef Gregor Gysi abgestimmt. Uns ist klar, dass es hier einen Konflikt gibt. Ich habe Innensenator Eckart Werthebach seit Freitag immer wieder gesagt, ich werde diese Veranstaltung nicht abmelden, ich ziehe auch den Antrag nicht zurück. Aber ich werde in einer Situation, wo die Polizei mir eine Gefährdung nachweist, auch nicht juristisch gegen das Verbot vorgehen, sondern ich verlege die Veranstaltung auf Samstag, den 15. Januar. Ich erwarte, dass bis dahin ein Sicherheitskonzept vorgelegt wird, unabhängig davon, ob sie den Mann bis dahin haben oder nicht, damit die Veranstaltung stattfinden kann.

Warum ist bis zum gestrigen Sonntag kein Sicherheitskonzept zu Stande gekommen?

Das müssen Sie die Polizei fragen. Wir als Veranstalter hatten unter anderem das nicht lösbare Problem, hunderttausend mögliche Teilnehmer rechtzeitig über die Drohung zu informieren.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen wird und mit ähnlichen Drohungen andere Demonstrationen verhindert werden.

Ich halte diese Gefahr für real. Es geht hier nicht um die PDS oder die Linke, sondern um die Frage, ist der Staat erpressbar, sind die Parteien erpressbar. Was ist, wenn am 30. April jemand versucht, mit solchen Mitteln die 1.-Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu verhindern?

Was ist, wenn der 39-Jährige bis Samstag nicht gefasst ist? Kann die Gedenkkundgebung dann überhaupt stattfinden?

Ich gehe davon aus, dass die Veranstaltung stattfindet. Ich habe am Sonntagmorgen nochmals mit dem Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky gesprochen. Wir waren uns einig, dass wir über das Sicherheitskonzept beraten müssen. Der Polizeipräsident hat mir nochmals versichert, dass das Demonstrationsrecht als hohes Gut von ihm geschützt wird. Es muss ein Veranstaltungskonzept entwickelt werden, das höchstmögliche Sicherheit gewährleistet. Ich bin nicht bereit, die Veranstaltung zurückzuziehen und in diesem Jahr ausfallen zu lassen. Dann entstünde tatsächlich ein sehr großer politischer Schaden. Dann ist die Erpressbarkeit tatsächlich gegeben.

Interview: Dorothee Winden