USA wollen digital nachrüsten

Präsident Clinton legt Zwei-Milliarden-Dollar-Programm auf: Gegen Internet-Terroristen und für die Ausbildung des Spionage-Nachwuchses ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Die Jahrtausendwende ist bisher glimpflicher abgelaufen, als von allen Computerexperten erwartet – für die Geheimdienste der USA jedoch keineswegs ein Grund, Entwarnung zu geben. Seit dem Ende des Kalten Krieges warnen sie vor „Cyber-Terroristen“ –feindlichen Mächten und Kriminellen, die Computernetze nutzen, um Militärcomputer lahm zu legen, Telefonnetze auszuschalten oder die Nachrichtenleitungen innerhalb wichtiger Industrien für ihre Zwecke auszuspionieren.

Das Lamentieren der Staatsschützer hat sich gelohnt: Am Freitag kündigte US-Präsident Bill Clinton ein Programm zur Förderung der Sicherheit in den Computernetzen an. Mit zwei Milliarden Dollar und einem Nationalen Plan zur Sicherung der amerikanischen Interessen im Cyberspace sollen die Behörden der USA Wege suchen, die potenziellen Gefahren abzuwehren. Das ist eine halbe Milliarde Mark mehr als in den bisherigen Regierungsbudgets vorgesehen war. In dem Drei-Jahres-Plan sind allein Stipendien im Wert von 300 Millionen Mark enthalten, um Wissenschaftler und Studenten in Computersicherheitsfragen auszubilden. Ein Forschungsinstitut soll Wege zu mehr Sicherheit in den weltweiten Netzen finden.

Dass es Gefahren durch Hacker gibt, ist unbestritten. In die Computer des Pentagon versuchen laut dessen Angaben täglich etwa 100-mal Fremde einzubrechen. Wirtschaftsspionage werfen sich verschiedene Länder ebenso gegenseitig vor, wie Konzerne ihren Konkurrenten misstrauen. Doch Beispiele für erfolgreichen Terrorismus im Internet, also von politischen Gruppen lancierte Attacken mit bezifferbarem Schaden, sind kaum bekannt.

Das hindert den Nachrichtengeheimdienst der USA, die National Security Agency NSA, nicht an der Panikmache. „Laut der NSA arbeiten mehr als 100 Länder daran, in unsere Informations-Infrastruktur einzudringen“, erzählt der republikanische Senator Jon Kyl. Das wäre mehr als jedes zweite Land der Erde. Solche Statements klingen wie aus hiesigen Geheimdienstberichten bekannte Versuche, nach dem Ende der Sowjetunion Rechtfertigungen für den eigenen Milliardenetat zu finden.

Gerade die geheimnisumwitterte NSA ist in letzter Zeit unter Beschuss geraten, weil sie die Entwicklungen des digitalen Zeitalters angeblich verschlafen hat. Mit dem Internet ist es viel schwieriger geworden, Nachrichten abzufangen. Erstens, weil viel mehr Daten um den Globus sausen, noch dazu auf verschlungen Pfaden. Und zweitens, weil mit dem allgegenwärtigen Personal-Computer und neuer Software jeder Zugang zu hochwirksamen Verschlüsselungstechniken hat.

Seymour Hersh, Pulitzerpreisträger und bekannter US-Journalist, listete Anfang Dezember in der Zeitschrift New Yorker eine ganze Liste von Problemen und Fehlschlägen der National Security Agency auf. Indische Militärs kommunizieren beispielsweise über eigene Satelliten mit verschlüsselten digitalen Botschaften und stellen die NSA so vor derartige Probleme, dass die Lauscher nicht einmal die Zündung der Atombomben im Mai 1998 vorhersagen konnten, so Hersh. Und die Machthaber in Nordkorea haben vom Funkverkehr auf Glasfaserkabel plus digitaler, billig zu kaufender Vermittlungstechnik umgestellt – und schon fällt es den Antennen und Schirmen der US-Spitzel in Südkorea schwer, noch irgendetwas wirklich Geheimes aus dem Äther zu fischen.

Die NSA hat es angeblich auch versäumt, in den letzten zehn Jahren wirksame mathematische Methoden samt Software zu entwikkeln – so genannte „Information retrevial“-Programme –, um das Internet zu durchforsten. Laut einem Spezialisten laufen die Datenspeicher des Geheimdienstes wesentlich schneller voll als erwartet. Niemand kann die abgefangenen Informationen auch nur annähernd durchforsten.

In diesem Zusammenhang sind gerade auch die mit dem neuen Clinton-Plan angekündigten Stipendien und das Forschungsinstitut wichtig. Denn die für die Geheimdienste interessanten Software-Programmierer sitzen nicht mehr wie zu Zeiten des Kalten Kriegs in der Industrie und wechseln zwanglos zu einer Bundesbehörde, wenn der Konzern und die nationale Sicherheit das wünschen. Die heutigen Cracks haben Anteile an einer florierenden Internet-Aktiengesellschaft, lachen nur über die staatlichen Gehälter und mögen Geheimdienste so sehr wie Scheiße an ihrem Schuh. Wenn die US-Geheimdienste wieder die Oberhand über die Datenflut und mögliche Hacker-Attacken gewinnen wollen, brauchen sie Spezialisten, die ihnen die Methoden dafür entwickeln. Da hilft ein Stipendium mit einer kleinen Klausel, dass der Empfänger hinterher ein paar Jährchen für die Regierung arbeiten muss.