Schlemmen wie Persephone

Karens KochKunst - die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 28: Wie man sich politisch korrekt mit Vitaminen versorgt  ■ Von Karen Schulz

Der griechische Mythos berichtet, dass Persephone, Tochter der Göttin Demeter, vom Herrn der Unterwelt geraubt wurde und von dort nicht gänzlich gerettet werden konnte, weil sie im Hades die Samen eines Granatapfels gegessen hatte. Ein verständlicher Fehler, wenn man das köstliche Aroma dieser Frucht berücksichtigt - auch wenn Persephone daraufhin ein Drittel jeden Jahres in der Unterwelt verbringen musste und ihre Mutter in dieser Zeit die Erde unfruchtbar werden ließ: Eine einprägsame Erklärung für den Zyklus der Jahreszeiten.

Gerade in der (unfruchtbaren) Winterzeit kann man den verführerischen Granatapfel auch bei uns kaufen. Wer sich für den Genuss nicht erst entkleiden möchte - der Badeanzug wird von manchen angesichts des spritzenden, färbenden Fruchtsafts als Küchenkleidung empfohlen - kann mit einem gebogenen Grapefruitmesser die Kerne herauslösen und diese solo oder mit anderen Früchten gemischt genießen.

Obst ist gerade im Winter ein wunder Punkt beim Essen. Um sich gesund zu ernähren, kommt man kaum umhin, die eingeschränkte Auswahl an heimischem Obst, das zudem durch die Lagerung an Vitaminen verliert, durch Exoten auszugleichen. Importierte Früchte allerdings schaden der Umwelt durch lange Transportwege.

Wer den goldenen Mittelweg gehen möchte, achtet beim Einkauf auf möglichst nahe Erzeugerländer: Die Granatäpfel beispielsweise kommen aus Spanien, der Türkei, Israel zu uns - oder aber aus Peru oder Indien. Gleiches gilt für die winterlichen Haupt-Vitamin-Lieferanten Zitrusfrüchte: Hier sollte man auf jeden Fall europäische Ware vorziehen und beim Kauf ruhig mal nachfragen - per Luftfracht aus Kolumbien importierte Limetten sind schließlich nicht notwendig.

Viele Exoten wachsen allerdings nur weit entfernt und müssen daher einen langen Weg zurücklegen, bevor sie uns erreichen - häufig per Flugzeug. Dazu gehören die ebenfalls aus Kolumbien importierten Physalis, Coronilla, Granadilla, Mangos oder Maracujas. Bei Ananas hingegen kann man wählen: Die günstigeren Früchte werden per Schiff eingeführt - die teureren, voll ausgereiften so genannten „Flugananas“ per Luftfracht. Mittlerweile überwiegend aus Italien kommt das grüne Vitaminbündel Kiwi: Mit einer großen Frucht kann meist schon der Tagesbedarf an Vitamin C gedeckt werden.

Bei Kiwis und Ananas gilt es zu beachten, dass die fruchteigenen Enzyme in Verbindung mit Milchprodukten letztere bitter werden lassen - daher Früchte und Joghurt erst zum Essen mischen. So gesund, dass es sie auf Rezept geben müsste, ist die ebenfalls weit gereiste Guave, die zu den Vitamin-C-reichsten Früchten überhaupt zählt und zusätzlich Provitamin A, Niacin, Kalium, Phosphor und Eisen liefert. Als natürlicher Wirkstoffcocktail ist der Genuss dieser und anderer Exoten durchaus empfehlenswert. Die Guave als reine Dekoration fürs Büffet zu verwenden, sollte unter ökologischen Gesichtspunkten hingegen verpönt sein - aus lukullischer Sicht ist es (fast immer) ein Verbrechen.