Feuerpause bei STN Atlas Elektronik

■ DAG reklamiert Verhinderung von 261 Kündigungen bei STN Atlas Elektronik als eigenen Erfolg / IG Metall-Betriebsräte kritisieren DAG-Tarifvertrag und beschönigte Darstellung

Bei der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) in Bremen herrschte gestern gute Stimmung. „DAG-Tarifvertrag verhindert 261 Kündigungen“, titelte die Pressemitteilung, die der Bremer DAG-Bezirksleiter, Werner Klimm, verbreiten ließ. Die Hiobsbotschaft von 271 drohenden Kündigungen, die die Belegschaft des Bremer Elektronikkonzerns seit Bekanntwerden eines 1999er Verlustes von rund 90 Millionen Mark im November in Atem hält, sei damit weitgehend gebannt. Zwar liege STN noch nicht in „ruhigem Fahrwasser“. Auch wurden elf betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen – denen der Betriebsrat widersprach. „Einzelschicksale“, so Klimm. „Aber 250 verhinderte Kündigungen sind ein Erfolg.“

„Diese Darstellung zieht einem ja glatt die Schuhe aus“, sagen unterdessen IG-MetallerInnen im zerstrittenen Betriebsrat aus DAG und IGM. Sie beklagen „die schlechte Informationspolitik“ des Betriebsratsvorsitzenden Manfred Solmersitz, der mittlerweile auch DAG-Mitglied ist. So sei der Betriebsrat – trotz Anfragen der MetallerInnen – von den jetzt öffentlich verbreiteten Informationen nicht in Kenntnis gesetzt worden. Die DAG-Darstellung, dass der Erfolg durch den Anfang Dezember zwischen DAG und STN-Geschäftsführung abgeschlossenen Tarifvertrag möglich geworden sei, kritisieren die MetallerInnen als falsch. Hauptargument: Die DAG habe nicht nur einem sehr weitgehenden Arbeitszeitmanagement zugestimmt, das die überstundenfreie Arbeitszeit drastisch ausweite. Sie habe zudem jährlich 25 Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro ArbeitnehmerIn vereinbart. „Sowas vernichtet Arbeitsplätze, statt sie zu sichern“, sagt IG-Metall-Betriebsratsmitglied Antje Bullwinkel. Den im Dezember abgeschlossenen DAG-Tarifvertrag als Erfolgsrezept zu verkaufen, sei unehrlich.

DAG-Bezirkschef Klimm dagegen macht eine andere Rechnung auf: Erst die Zugeständnisse seiner Gewerkschaft in punkto Zeitmanagement – das die Einführung von Arbeitszeitkonten über 150 Stunden in diesem und höchstens 300 Stunden ab nächstem Jahr vorsieht –, habe überhaupt eine Verhandlungsbasis für den Erhalt von 70 der im November noch 271 gefährdeten Stellen geschaffen. Diese 70 Arbeitsplätze würden durch interne Umbesetzung – etwa auf Stellen, die nach Kündigung oder Mutterschaftsurlaub – gerettet. Weitere 100 Arbeitsplätze würden durch geblockte Altersteilzeit gerettet. Den Plänen zufolge verzichten die Betroffenen – bei voller Arbeitszeit – ab sofort auf 17,5 Prozent des Nettogehaltes und scheiden dafür früher aus. Außerdem seien rund 60 bis 70 weitere Arbeitsverträge von den ArbeitnehmerInnen „selbst aufgelöst“ worden. Von „Vorruhestandsregelung“ und „Arbeitsplatzwechsel“ ist die Rede.

Metall-Betriebsratsmitglieder argwöhnen: „Hier wurde Druck gemacht.“ Zwar kenne man Fälle, die die Altersteilzeit gerne in Anspruch nähmen – aber man wisse auch von KollegInnen, denen Kündigung angedroht worden sei, falls sie nicht kooperierten. Außerdem zählten zu den „freiwilligen Vertragsauflösungen“ vermutlich auch knapp 30 Fälle, die in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln sollen.

Von „Qualifizierungsgesellschaft“ redet man bei Rheinmetall. Die genaue Zahl betroffener Beschäftigter kenne er nicht. Aber man sei „froh“, die Personalkostensenkungen durch die neuen Vereinbarungen zur Altersteilzeit, das interne Arbeitszeitmanagement und den Beitrag der ArbeitnehmerInnen – gemeint sind die 25 Stunden unbezahlte Arbeit pro Jahr – erreicht zu haben. Noch in 2000 werde es weitere Sparmaßnahmen durch „Effektivierung der Arbeitsabläufe“ geben. ede