Serbiens Opposition sucht neue Strategie

Vuk Draskovic, Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung, lädt Vertreter anderer Organisationen zu einem Gespräch ein. Gleichzeitig zettelt das Regime eine Spionagekampagne gegen ihn an ■ Von Andrej Ivanji

Wien (taz) – Die serbische Opposition will eine Offensive gegen das Regime starten – wieder mal. Wieder mal wollen die zerstrittenen Oppositionsführer gemeinsam vorgehen. Denn wieder mal behaupten alle oder fast alle, nur gemeinsam hätten sie eine Chance.

Nachdem die Massenproteste der „Allianz für den Wandel“ gescheitert sind, will es nun Vuk Drašković, Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO), wissen. Seine Bedingung an die Kollegen von der Opposition: sie sollen ihn, den Anführer der stäksten Oppositionspartei, als Nummer eins im Kampf gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević anerkennen.

Vertreter aller maßgebender Oppositionskräfte folgten gestern Drašković’ Einladung zu einer Gesprächsrunde im SPO-Sitz in Belgrad, um eine „gemeinsame Strategie im Kampf gegen den Staatsterror“ auszuarbeiten, wie er feurig verkündete. Drašković legte den Kollegen von der Opposition zwei Dokumente zur Einsicht vor. Zuerst sollen vorzeitige Wahlen auf allen Ebenen unter „fairen und demokratischen Bedingungen“ spätestens bis Ende April gefordert werden. Sollte das Regime dies ablehnen, will Vuk (der Wolf) endgültig aus seiner Höhle herauskommen und am 9. März zu Massenprotesten bis zum Ende des Milošević-Systems aufrufen.

Der 9. März ist nicht zufällig als Tag der Abrechnung mit dem Regime ausgewählt. An diesem Datum vor neun Jahren folgten hunderttausende Menschen einem Aufruf Drašković, demonstrierten im Zentrum Belgrads gegen das Regime und machten einige Tage lang Milošević die Hölle heiß. Zum ersten und bisher letzten Mal widersetzten sich serbische Demonstranten physisch der Polizei. Als Polizisten versuchten, die Demonstranten auseinanderzuschlagen, kommandierte Drašković heroisch: „Sturm! Schlagt zurück!“ Milošević musste die Proteste mit Panzern brechen. Es war das erste Mal, dass er Panzer einsetzen ließ – gegen Serben.

Auch heute geht man davon aus, dass nur Drašković dem Regime wirklich gefährlich werden kann. Doch Milošević und seine Mannen werden nicht mit gekreuzten Armen dasitzen, während sich der unberechenbare Drašković überlegt, ob er „Sturm!“ oder „Rückzug!“ kommandieren soll.

Denn was anfangs wie eine Parodie auf Spionagefilme aussah, wird nun ernst. Die Propagandaaktion „Jagd auf Spione“ schlägt allmählich in eine endgültige Abrechnung des Regimes mit allen seinen Gegnern um. Und das Regime schießt sich in erster Linie auf den gefährlichsten Gegner, nämlich Drašković, ein.

Nach der „sensationellen“ Enthüllung von zwei Spionagegruppen, der „Spinne“ und der „Serbischen Befreiungsarmee“, die angeblich Milošević umbringen wollten, beschuldigte am Samstag der jugoslawische Bundesinformationsminister, Goran Matić, Drašković, „im Auftrag des französischen Geheimdienstes einen blutigen Bürgerkrieg in Serbien entfachen zu wollen“.

Matić nutzte eine Jubiläumsfeier des serbischen Archivs für Dokumentarfilme, um eine Videoaufzeichnung des „Geständnisses“ des Anführers der „Spinne“, Jugoslav Petrusić alias Oberst Dominique, zu zeigen. Petrusić gab vor, den Kontakt zwischen seinem Chef „Patrick“ und Drašković und seiner Frau hergestellt zu haben, die viel ausgeplaudert und Geld gefordert hätten.

Der Versuch der Nato, im Zuge eine Militärintervention Jugoslawien zu okkupieren, sei gescheitert, meinte Bundesinformationsminister Matić, deshalb wolle die „verbrecherische Allianz“ nun durch ihre „Handlanger“ einen blutigen Bürgerkrieg in Serbien auslösen. Als weiteren Beweis für Drašković’ finstere Pläne nannte Matić, dass Drašković der US-Außenministerin Madeleine Albright in Budapest die Hand küsste. „Eine Hand, an der das Blut von 2.000 Jugoslawen klebt!“ Beobachter vor Ort befürchten, die Aktion „Jagd auf Spione“ könnte die Einleitung von Schauprozessen sein.

„Nur gemeinsam kann sich die Opposition gegen diese schmutzige, primitive Propaganda verteidigen“, sagte Dragoljub Micunović, der Leiter des „Demokratischen Zentrums“, gegenüber der taz. Er versucht seit einem Jahr, die eitlen serbischen Oppositionspolitiker unter einen Hut zu bringen. Nach dem Angriff auf Drašković müssten die Oppositionsführer endlich einsehen, dass es ihnen an den Kragen geht, so Gragoljub. Es bestehe die Hoffnung, dass der immer unerträglichere Druck des Regimes die zerstrittenen Oppositionspolitiker endlich vereint.