Verhandlungen bald, Atomtransporte später

■ Bundeskanzler will eventuell schon Ende des Monats über Atomkonsens sprechen. AKW-Betreiber mit zwei Auswegen

„Neun Anträge in einemMonat. Das hat es noch niegegeben. Das ist eine konzertierte Aktion der Atomlobby.“

Berlin (taz/rtr/dpa) – Die Bundesregierung will nach den Worten von Kanzler Gerhard Schröder die Verhandlungen mit der Stromwirtschaft über einen Ausstieg aus der Atomenergie in wenigen Wochen fortsetzen. In der ZDF-Sendung „berlin DIREKT“ sagte Schröder am Sonntagabend , Ende Januar oder Anfang Februar werde es ein weiteres Gespräch geben. Er zeigte sich zuversichtlich, dass bei den Verhandlungen ein Konsens gefunden werde.

Neben dem Ausstieg müssten weitere wesentliche Fragen geklärt werden wie die Rückholung deutschen Atommülls aus Aufbereitungsanlagen im Ausland und die Entsorgung atomarer Abfälle. Die Konsensverhandlungen sind seit Juni 1999 ausgesetzt. Die Grünen wollen den 19 deutschen Atomkraftwerken eine Gesamtlaufzeit von maximal 30 Kalenderjahren zugestehen. Die Stromkonzerne denken eher in Größenordnungen von 40 Jahren.

Angesichts des ungewissen Ausgangs der Konsensverhandlungen bauen die AKW-Betreiber wie RWE, PreussenElektra oder HEW schon einmal vor: Sie beantragten beim Bundesamt für Strahlenschutz die Endlagerung abgebrannten und stark strahlenden Brennstoffs direkt auf dem Gelände der Atommeiler. Damit könnten sie sich für die nächsten 30 oder 40 Jahre die heiß umstrittenen Transporte quer durch Deutschland sparen. Die nord- und westdeutschen Betreiber haben ihre Anträge im Dezember 1999 abgegeben. Mit den Anträgen aus Bayern rechnet Wolfram König, der Präsident des BfS, auch noch.

„Neun Anträge in einem Monat. Das hat es noch nie gegeben“, meint Eduard Bernhard, Energiesprecher des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). „Das ist eine konzertierte Aktion der Atomlobby!“ Für Bernhard unterlaufen die Konzerne damit den lange diskutierten Atomkonsens.

Bis die Zwischenlager genehmigt sind, kann es jedoch noch ein Weilchen dauern. Bis dahin müssen Transporte in die bestehenden überregionalen Zwischenlager in Ahaus oder Gorleben gehen – sonst droht einigen AKWs zeitweiliger Stillstand. Der Weg nach Gorleben ist durch eine kaputte Eisenbahnbrücke praktisch noch mindestens bis Ende des Jahres blockiert. Und nach Ahaus will die Bundesregierung zumindest bis zur NRW-Landtagswahl im Mai nichts durchprügeln. Das meldete gestern auch wieder die Berliner Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Möglicher Ausweg: Die angekündigte kurzfristige Genehmigung weiterer Atommülltransporte soll lediglich genutzt werden, um die Beladung von leeren Castorbehältern mit Brennelementen zu ermöglichen und so den Lagerengpass kurzfristig zu umgehen. rem