Berliner CDU: Keine Panik auf der Titanic

■ In der Spendenaffäre setzt der CDU-Landesverband ganz auf das Prinzip des Altkanzlers: Aussitzen. Die nächsten Wahlen sind weit – und Diepgen profitiert jetzt davon, dass er in das System Kohl nie eingebunden war

Die Berliner CDU sieht auch nach dem Geständnis des Bundesvorsitzenden Wolfgang Schäuble in der Parteispendenaffäre keinen Anlass für personelle Konsequenzen. „Schäuble hat sich völlig korrekt verhalten“, sagte CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach gestern. Gleichzeitig erneuerte er die Forderung, es müssten „alle Vorgänge lückenlos auf den Tisch gelegt werden“.

Wambach betonte, im Berliner Landesverband seien keine Unregelmäßigkeiten bekannt geworden: „Wir sind von dieser Sache nicht betroffen.“ Fast fünf Jahre vor den nächsten regulären Landtagswahlen könne die Berliner Union mit der Affäre „etwas gelassener“ umgehen als andere Landesverbände. Auch wenn die hauptstädtische Union als „Bestandteil der CDU Deutschlands“ unter dem Skandal zu leiden habe, könne sie „weiter erhobenen Hauptes Politik machen“.

Angesichts ihrer vergleichsweise komfortablen Lage setzt die Berliner CDU auf das Prinzip Aussitzen. Der Landesvorsitzende Eberhard Diepgen profitiert jetzt davon, dass er stets zu den Kohl-Kritikern gezählt hatte: An die Spree ist offenbar kein „Bimbes“ zur politischen „Landschaftspflege“ geflossen. Der Bürgermeister von Mitte, Joachim Zeller, brachte die Stimmung auf den Punkt: „Wir konzentrieren uns auf Sachfragen und lassen die Bundes-CDU mit sich ins Reine kommen.“

Nach Schäubles verspätetem Geständnis will freilich kaum ein Berliner Christdemokrat noch seine Hand dafür ins Feuer legen, dass nicht weitere Enthüllungen bevorstehen. „Wir leben nach dem Prinzip Hoffnung, dass das wirklich alles war“, sagte Zeller. Der Landesvorsitzende der Jungen Union, Thorsten Reschke, bezeichnete es als „ärgerlich“, dass Schäuble erst jetzt über die Spende des Waffenhändlers Schreiber redete: „Hätte er es gleich gesagt, wäre ihm nichts abgebrochen.“ Sollten die Nachforschungen aber zu dem Ergebnis führen, dass die Politik käuflich gewesen sei, dann werde es „schwierig“.

Auch der Wilmersdorfer Bezirksvorsitzende Christoph Lehmann formulierte vorsichtig: „Nach dem jetzigen Stand der Dinge hat sich Schäuble korrekt verhalten.“ Er räumte allerdings ein, dass eine Barzahlung von 100.000 Mark „ungewöhnlich“ sei. „Es ist unklar, was da noch so alles hochkommt“, so Lehmann.

Der stellvertretende Landesvorsitzende Andreas Apelt lehnte eine Rücktrittsforderung an Schäubles Adresse ebenfalls ab: „Es gibt keinen Grund, zum derzeitigen Zeitpunkt an Schäuble zu zweifeln.“ Doch auch er hat keine Antwort auf die Frage, warum Schäuble die Annahme der Geldsumme erst jetzt zugegeben hat, statt sie bei passender Gelegenheit offenzulegen. In einem Punkt sind sich die Berliner Christdemokraten allerdings einig. „Die Union ist insgesamt beschädigt“, sagt Lehmann. Sachliche Beiträge der CDU fänden keinerlei Beachtung mehr.

Der Schöneberger Bezirksvorsitzende Gerhard Lawrentz stellte sich dagegen bedingungslos hinter Schäuble und Kohl. Den stellvertretenden niedersächsischen CDU-Fraktionschef Bernd Busemann, der Schäuble aufgefordert hatte, sein Amt zur Verfügung zu stellen, nannte Lawrentz einen „Quatschkopf“. Er verwies darauf, dass „ein Verstoß gegen das Parteiengesetz ja nicht strafrechtlich relevant“ sei. „Das ist, wie wenn Sie im Straßenverkehr Tempo 70 statt Tempo 50 fahren.“ Und auf einer Veranstaltung der Senioren-Union Schöneberg sei man sich ohnehin einig gewesen: „Kohl ist ein großer Sohn dieses Landes.“

Der Abgeordnete Uwe Lehmann-Brauns bezeichnete die Parteispendenaffäre als „Subalternität“, die von „verantwortungslosen Pharisäern“ in den Medien hochgespielt werde. Hätte er Geld für seinen Zehlendorfer Kreisverband erhalten, so Lehmann-Brauns, „dann hätte ich mich gefreut und den Betrag adäquat ausgegeben“. Man müsse die Affäre „ein bisschen menschlich sehen“.

Ralph Bollmann,

Andreas Spannbauer

Tagesthema Seiten 2 und 3