Grüner klagt sich selbst an

Der Jungabgeordnete Christian Simmert publiziert im Internet einen neuen Spendenskandal – den eigenen. Bündnisgrüne wollen darin nur einen Einzelfall sehen ■ Von Nick Reimer

Gedankenlosigkeit, Unwissen oder Ignoranz? Simmert ist noch im Urlaub und nicht einmal für die Fraktion zu sprechen.

Berlin (taz) – Der Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Christian Simmert ist für „mehr Transparenz“ bei den Finanzen der Bundestagsabgeordneten. Mit der Veröffentlichung seiner Steuererklärung, seiner monatlichen Bezüge und Ausgaben auf seiner Homepage will Simmert – wie er schreibt – „das Vertrauen in die Demokratie“ stärken. Alle Abgeordneten sollten den Bürgerinnen und Bürgern öffentlich darlegen, über welche Einkommen und politischen Ausgaben sie verfügen.

Ein hehrer Ansatz. Allerdings geht er in Simmerts Fall nach hinten los. Die Internet-Dokumentation rückt nun auch die bündnisgrüne Parteispendenpraxis weiter ins Zwielicht. Unter der Überschrift „Bezüge und Ausgaben“ (Stand: Juli 1999) listet der 28-jährige Abgeordnete unter www.simmert.de/Texte/steuer.html die „Ausgaben aus der steuerfreien Kostenpauschale“ auf. Punkt eins: 1.000 Mark an Partei/Initiativen.

Genau dies ist aber in den Augen der CDU nach Paragraf 12 des Abgeordnetengesetzes rechtswidrig. Bislang mutmaßten die Christdemokraten über solcherart grüne Spendenpraxis. Simmerts Dokumentation liefert den Beleg. Die steuerfreie Kostenpauschale der Angeordneten ist ausschließlich für die Finanzierung des Wahlkreisbüros vorgesehen, für den Mehraufwand am Sitz des Bundestages, Fahrten und andere mandatsbedingte Aufwendungen. Ein anderer Verwendungszweck der steuerfreien Kostenpauschale ist nicht zulässig.

Das wissen die Grünen auch. Am Montag hatte Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer gegenüber der taz erklärt, der Spendenbeschluss des 1993er Parteitages – er verpflichtet jeden Bundestagsabgeordneten zur Zahlung von monatlich eintausend Mark – sei auf „bescheuerte Art und Weise gefasst“ worden. Er sei nicht mehr akzeptabel und gehöre abgeschafft. Auch Kristin Heyne, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, hält den damaligen Beschluss für problematisch. „Ich habe Spenden an die Bundespartei stets aus meinem steuerpflichtigem Einkommen bestritten“, erklärte Heyne gestern. Eine Überprüfung der anderen grünen Abgeordneten habe ergeben, „dass alle dies ebenso gehandhabt haben“.

Offenbar nicht, wie Simmerts Internet-Publikation beweist. Der Spiegel hatte errechnet, dass insgesamt etwa 3,5 Millionen Mark aus der steuerfreien Abgeordnetenpauschale an die Partei geflossen seien. Zum Vergleich: Beim CDU-Spendenskandal geht es derzeit um – zugegebene – 1,145 Millionen Mark an Fraktionsgeldern an die Partei. Kristin Heyne widersprach gestern dieser Darstellung heftig. Die Spiegel-Behauptung träfe nicht zu. „Es gab und gibt bei den Grünen keine Zahlung der Fraktion an die Partei.“

Fraktionssprecher Dietmar Huber bestätigte gegenüber der taz, dass es sich bei der erwähnten Prüfung „allerdings nur um eine erste, vorläufige handelt“. Die Abgeordneten seien befragt worden und hätten versichert, die Spende nicht aus der steuerfreien Kostenpauschale getätigt zu haben. Dem müsse man Glauben schenken, denn schließlich sei es deren Sache, wie sie den Parteitagsbeschluss von 1993 realisierten.

Nach Einschätzung von Parteienforschern ist die Sachlage bei den Grünen eine andere als bei der CDU. Während bei den Christdemokraten von der Fraktion Spenden an die Partei geflossen seien, zahlten die bündnisgrünen Abgeordneten als Einzelpersonen eine Spende. Problematisch in Bezug auf das Parteiengesetz sei dies nur, wenn dafür die Kostenpauschale benutzt werde. Dies nachzuweisen sei allerdings nicht einfach.

Gedankenlosigkeit, Unwissen oder Ignoranz – gestern war nicht zu erfahren, wieso Christian Simmert – Vorreiter der neuen Finanz-Transparenz – seinen Rechtsverstoß im Internet auch noch selbst publizierte. Simmert ist noch im Neujahrsurlaub und auch für die Fraktion noch nicht zu sprechen gewesen. Fraktionssprecher Huber: „Ich gehe davon aus, dass es sich bei Simmert um einen Einzelfall handelt.“