Wolfgang Schäuble hat 100.000 Mark von Waffenhändler Schreiber angenommen. Die Spende wurde nicht veröffentlicht. Damit ist klar: Nicht nur Kohls Getreue waren in das System von schwarzen Konten der CDU eingebunden. Auch der heutige Parteivorsitzende und die Ex-Schatzmeisterin wussten, wie mit Barspenden zu verfahren ist:
: Man quittiert nicht

Die Herren treffen sich an öffentlichen Orten, um diskrete Geschäfte abzuwickeln. Zum Beispiel in einem Einkaufszentrum im schweizerischen St. Margarethen. Alle Beteiligten wissen vorher, dass Geld den Besitzer wechseln wird, sehr viel Geld. Niemand stellt Fragen. Es käme auch keiner auf die Idee, das Geld etwa nachzuzählen. „Zu Hause angekommen“, so erinnerte sich der Verwalter der CDU-Schwarzgelder, Horst Weyrauch, „öffnete ich das Behältnis und stellte fest, dass sich darin eine Million Mark in Tausend-Mark-Scheinen befand.“

So oder so ähnlich wie diese Übergabe von einer Million Mark im Jahre 1991 liefen Geldgeschäfte für die CDU im System Kohl: Es gab einen kleinen Kreis Informierter, alle enge Vertraute des großen Vorsitzenden. Im geschilderten Fall trafen sich der Schatzmeister der CDU, Walter Leisler Kiep, Weyrauch und der Waffenhändler Karlheinz Schreiber.

Der feine Herr Kiep nahm das Geld klugerweise gar nicht in die Hand. Dazu war Spendenakquisiteur Weyrauch da. Oder der „Generalbevollmächtigte“ der CDU, Uwe Lüthje. Oder Hans Terlinden, Hauptabteilungsleiter Verwaltung der CDU. Diese Personen, so lautete die Behauptung der amtierenden CDU-Spitze bisher, hätten die finanziellen Transaktionen des Systems Kohl allein abgewickelt.

Am Montagabend hat der Parteichef Wolfgang Schäuble selbst im Fernsehen den Beweis dafür erbracht, dass auch andere in die verdeckten Geldgeschäfte verwickelt waren. Schäuble gab zu, Schreiber in seinem Büro empfangen und 100.000 Mark erhalten zu haben. In bar. „Ich weiß gar nicht, ob es [das Geld, die Red.] in einem Koffer oder einem Kouvert war“, sagte der Parteichef gestern, der bisher abstritt, mit dem dubiosen Geschäftsmann zu tun gehabt zu haben.

Die ungewöhnliche Geldübergabe zwischen Schäuble und Schreiber fand im September 1994 statt. Die Schatzmeisterin der CDU, Brigitte Baumeister, hatte am Abend zuvor im Bonner Hotel Königshof zu einem Essen mit CDU-nahen Leuten aus der Industrie eingeladen. Ziel der Veranstaltung war Spendenakquise für die Partei. Schreiber, so erinnert sich Gastredner Schäuble, habe ihm gesagt, er werde tags darauf „kurz im Büro vorbeikommen“. Das tat er. Mit dem Geld.

Der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bedankte sich für die Barspende. Er rief dann, weil er sicher sein wollte, dass „alles ordnungsgemäß“ verläuft, die CDU-Schatzmeisterin an. Baumeister übernahm die 100.000 Mark und gab sie, so Schäuble, „gelegentlich an Walter Leisler Kiep weiter“. Kiep leitete das Geld weiter an Weyrauch, der das Geld als „sonstige Einnahme“ auf einem CDU-Konto verbuchte. Die Spende wurde also nicht, wie es das Parteiengesetz vorsieht, als solche in den Büchern der CDU aufgeführt. Die heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Baumeister nannte dies gestern in einer Erklärung „einen Fehler“.

Bislang hieß es, dass CDU-Schatzmeisterin Baumeister über die illegalen Geldkreisläufe des Systems Kohl gar nicht Bescheid wusste. Offenbar war es aber für die Kassenverantwortliche selbstverständlich, dass es heimliche Geldflüsse in die CDU gab. Also gab sie das Geld ihrem Vorgänger Kiep – obwohl der offiziell gar keine Funktion mehr ausübte.

Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann reagierte geradezu schockiert auf die neuen Veröffentlichungen. „Ich war so naiv zu glauben“, sagte er, „dass die Flick-Spendenaffäre einen reinigenden Charakter für die Parteien hatte.“ Dem sei aber nicht so. Die CDU-Schatzmeisterin habe ein „Spenden-Eintreibungs-Meeting“ organisiert. Die Art der Geldübergabe erinnert Alemann an die Besonderheiten der Herrschaftsformen, wie er sie bei seinen Forschungen zu politischer Korruption ausfindig machte: vertraulich, informell, mündlich. Alemann wurde gerade vom Bundespräsidenten in die „Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung“ berufen.

Geldübergaben wie die von Schreiber an Schäuble gab es auch zu Zeiten der Flick-Affäre – nur kleiner. Damals übergab der Generalbevollmächtigte des Flick-Konzerns, Eberhard von Brauchitsch, Kouverts mit 20.000 bis 50.000 Mark an Vertreter verschiedener Parteien. Diese „Herrenausstattungen“ gingen an CDU, FDP und auch an die SPD. Brauchitsch nannte das die „Pflege der Bonner Politiklandschaft“.

Auch Waffenhändler Schreiber bedient sich dieses Ausdrucks gern, um klarzumachen, dass auch die Übergabe von Großspenden in bar einen gewissen Kodex beinhalten: Der Empfänger weiß, worum es geht. Daher braucht auch nicht quittiert zu werden. „Ich habe das Geld nicht nachgezählt“, beschrieb Schäuble gestern seine Spendenübergabe. Und: „Wir haben vermutlich gar nicht über Spendenquittungen geredet.“

Christian Füller