Kein Wort über die Ertrunkenen

■ Angeklagte im „Scantrader“-Prozess stellen sich als leidend und mittellos dar. Versicherungs-Geld kam nie bei Angehörigen an

Die Herren fuhren Porsche und Mercedes, aber die Zeiten, beteuern sie vor Gericht, seien vorbei. Die Firma pleite, die Schiffe verkauft, das Leben der ehrbaren Kaufleute einem Unglück zum Opfer gefallen: Dem Untergang ihres Zementfrachters „Scantrader“ in der Biskaya vor 10 Jahren.

Der ruinöse Handelstransport auf der „Scantrader“ wurde für 12 Seeleute zur Todesfahrt (siehe taz von gestern), aber darüber verlieren die angeklagten Reeder Heinrich und Heiner Beutler sowie ihr Kompagnon Jerzy Kulakowski an diesem ersten Tag vor dem Landgericht kein Wort. 12 Menschen starben, weil der Frachter mit 2363 Tonnen Zement überladen war, nur 2215 Tonnen waren erlaubt.

Heinrich Beutler will heute von einer kleinen Rente leben, sein 41-jähriger Sohn Heiner von dem „sehr bescheidenen Einkommen“ seiner Partnerin. Nur am Rande kommt das Schicksal der Hinterbliebenen der toten Seeleute zur Sprache: Als das Gericht die Beutlers fragt, wo die 500.000 Mark geblieben sind, welche die Unfallversicherung für die Angehörigen der indischen Seeleute an die Reederei auszahlte – und die nie bei den Familien in Indien angekommen sind. „Heinrich Beutler“, sagt Sohn Heiner über seinen Vater, „hat das Geld nicht bekommen.“ Die Frage, ob er selbst es einkassierte, beantwortet er nicht.

Das Amtsgericht hatte Heiner Beutler und Jerzy Kulakowski freigesprochen. Dagegen war die Staatsanwaltschaft in die Berufung gegangen. Beutler senior war für die Sicherheit seines Schiffes zur Verantwortung gezogen und zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldbuße in Höhe von 20.000 Mark verurteilt worden. Zwar fühle er sich „zu Unrecht verurteilt“, klagt der Reeder, er würde es aber akzeptieren – wenn da nicht die Geldbuße wäre. Die nämlich könne er als mittelloser Rentner nicht bezahlen.

Das Verfahren spielt sich nun an zwei Schauplätzen ab. Drinnen im Saal betrauern die damaligen Geschäftspartner ihre Geldprobleme. Heinrich Beutler kaut unablässig auf der Unterlippe und wirkt fast senil, wenn er durch die ZuschauerInnen hindurchzublicken scheint und alle Fragen von seinem Sohn beantworten lässt. Vor dem Saal zeichnet der ehemals bei Beutler angestellte Schiffsingenieur Kurt Taube ein ganz anderes Bild von dem Mann. „Der ist eiskalt“, sagt Taube und erzählt, wie er eines Tages keine Unterkunft für einen indischen Seemann fand und ratlos bei Beutler anrief. „Wirf ihn in die Elbe“, habe der geantwortet.

Die drei Angeklagten behaupten, allein der Kapitän sei für die Ladung eines Schiffes verantwortlich. Somit sei allein der damalige Schiffsführer am Untergang der „Scantrader“ schuld. Der Vorsitzende Richter erinnert jedoch da-ran, dass der Kapitän jeden Morgen bei der Reederei anrufen musste, um deren Weisungen entgegenzunehmen. Und Ingenieur Taube weiß: „Wenn der Kapitän irgend etwas selbstständig gemacht hätte, wäre er sofort rausgeflogen.“

Elke Spanner