■ Podiumsdiskussion heute abend: Volksentscheide stärken?
: Nordlichter hinken hinterher

Der Publizist Gerald Häfner ist Mitglied des Bundesvorstandes von „Mehr Demokratie“ und war acht Jahre Bundestagsabgeordneter der Grünen. Zwischen 1990 und 1994 war er Landesvorsitzender der Grünen in Bayern. Der 43-Jährige lebt heute in München.

taz: Ist die Idee der Volksbegehren in der Krise? Es gibt in letzter Zeit Gerichtsentscheidungen, die neuere Errungenschaften wieder zurückdrehen.

Gerald Häfner, Mitglied im Bundesvorstand „Mehr Demokratie“:Ich glaube nicht, dass die Idee in der Krise ist. Im Gegenteil: Die Idee lebt überall in den Bundesländern gewaltig auf. Behörden versuchen zwar, einen Riegel vorzuschieben. Gelegentlich machen auch Gerichtsurteile Einschränkungen. Aber unter dem Strich ist die Entwicklung der letzten Jahre eher ein Beweis für die Lebendigkeit der Idee.

Wo lebt die Idee denn außerhalb von Bayern?

Sie lebt heute in allen Bundesländern, wenn teilweise auch noch in sehr unterentwickelter Form. Bayern ist nicht das einzige, aber sicherlich beste Vorbild. Zum einen weil es die auf Landesebene immer noch verhältnismäßig beste Regelung hat. Zum anderen, weil die Bayern durch ein von unten organisiertes Volksbegehren auch noch die Möglichkeit des Bürgerentscheides auf kommunaler Ebene erstritten haben.

Gibt es entscheidende Unterschiede bei den Bundesländern, was die Einführung von leichteren Volksbegehren angeht?

Hauptprobleme sind: Themenbeschränkungen, oft viel zu hohe Unterschriftenquoren und schließlich die völlig kontraproduktiven Beteiligungs- und Zustimmungsquoren. Diese führen dazu, dass selbst mit deutlicher Mehrheit getroffene Entscheidungen nachträglich wieder wertlos werden, vor allem in den nördlichen Bundesländern. So haben in Hamburg bei einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent drei Viertel aller Abstimmenden für die Einführung eines bürgerfreundlichen Volksgesetzes gestimmt. Anschließend teilte der Senat mit, das Volksbegehren sei damit abgelehnt, da das Zustimmungsquorum nicht erfüllt sei. Dies hätte erfordert, dass mindestens 50 Prozent aller Stimmberechtigten eine „Ja“-Stimme abgegeben hätten – ein Ergebnis das so gut wie unerreichbar ist. Das ist auch das Bremer Problem. Fragen: cd

Podiumsdiskussion „Euro, Ökosteuer, Atomausstieg ... Soll das Volk entscheiden?“ im Schlachthof. Beginn: 20 Uhr. Diskussionspartner von Häfner ist CDU-Landeschef Bernd Neumann.