DVU: Datenschwall für Rechtsdrall

■ Die DVU bekam im April letzten Jahres die Adressen aller Bremerhavener Wahlberechttigten, um Wahlpropaganda verschicken zu könne / Datenschützer: Das ist nicht durchs Gesetz gedeckt

Großzügigkeit des Bremerhavener Meldeamtes: Wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Meldestelle der Seestadt vor der letzten Bürgerschaftswahl anstandslos eine Liste aller Wahlberechtigten an die Deutsche Volksunion (DVU) ausgegeben. Die Partei benötigte diese Adressen für Wahlwerbesendungen. Nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten widerspricht die Weitergabe des kompletten Datensatzes dem Bremischen Meldegesetz. Lediglich Datensätze bestimmter Altersgruppen – zum Beispiel Jungwähler oder ältere Wähler – dürfen der Behörde von den Parteien im Wahlkampf abgekauft werden. Die Listen dürfen nur den Namen und die Adresse der Wahlberechtigten enthalten, eine grobe Sortierung nach Altersklassen ist möglich.

Tatsächlich hatte im Bürgerschaftswahlkampf jeder der rund 100.000 Wahlberechtigten in Bremerhaven mehrmals Propaganda-Post von der DVU bekommen. „Wir haben dreimal alle Bürger angeschrieben, einmal die Jungwähler und einmal ältere Wähler“, bestätigt der DVU-Abgeordnete Jens Tittmann. Den erhaltenen Datensatz habe man an die Parteizentrale in München weitergeleitet, von wo aus die Massenbriefsendungen organisiert wurden. Auch in Bremen sorgte der braune Inhalt der DVU-Briefe für Empörung bei den Angeschriebenen (die taz berichtete).

Eigentlich hätte die DVU nur die Datensätze der 18- bis 30-Jährigen und der über 60-Jährigen bekommen sollen. In einer ersten Datei-Lieferung wurde der DVU tatsächlich eine Papier-Liste zur Verfügung gestellt. Doch weil die DVU-Zentrale die Adressen nicht abtippen wollte, trat man erneut an die Meldebehörde heran: Ob die Liste nicht auch auf Diskette zur Verfügung gestellt werden könne? Und ob man vielleicht doch den gesamten Bestand ...?

Spätestens an diesem Punkt hätte die Behörde stutzig werden müssen, meint Willy Wedler, Mitarbeiter beim Landesbeauftragten für Datenschutz. Doch die Behörde erfüllte anstandslos den Willen der DVU und übergab die Daten als Diskette. Datenschützer fänden es besser, wenn die Parteien nur Adresen-Aufkleber bekommen würden.

Die DVU nahm an, dass die Überlassung des gesamten Datensatzes ein Versehen sei und ließ den Vorgang prüfen. In der Behörde vertritt man die Position, dass man die Verwaltungsvorschriften einfach anders ausgelegt habe als in Bremen. Bei der nächsten Wahl allerdings werde man sich „anders Verhalten“, sagt der Leiter der Verwaltungspolizei Horst Keipke. Dann sollen nur noch „Gruppen“ von Wählerdaten übergeben werden. Wie diese Gruppen definiert werden, ist allerdings unklar.

Um dieses Schlupfloch zu stopfen, forderte der Datenschutzbeauftragte schon lange eine Novellierung des Bremischen Meldegesetzes. Eine konkrete Verhaltensvorschrift habe der Innesenator bisher vehement abgelehnt, sagte Datenschützer Wedler in der Dezember-Sitzunng des Datenschutzausschusses. Eine Forderung ist, dass in Zukunft jeder Bürger gefragt werden soll, ob er Wahlwerbung ins Haus geschickt haben will. Bisher muss man bei der Behörde beantragen, die Adresse nicht an die Parteien weiterzugeben. In die Kritik stimmte nur die Grüne Abgeordnete Anja Stahmann ein.

Auch die Bremer Meldebehörde wurde übrigens wegen der Datenweitergabe an Parteien kritisiert. Die weitergegebenen Disketten mit den Wählerdaten hätten Sortierung nach Stadtteil und Geschlecht zugelassen. „Diese (...) Praxis beruht z.T. auf einer unpräzisen Gesetzesformulierung, z.T. auf Handhabungsfehlern der Verwaltung“, schrieb der Datenschutz-Beauftragte schon am 17. November an den Innensenator. cd