Wie Jürgen Drews die Grünen gründete ■ Von Wiglaf Droste

Am 12. und 13. Januar 1980 fand im hessischen Offenbach der Gründungsparteitag der deutschen Grünen e. V. statt. 20 Jahre danach hat die Partei nur noch eine Frage unbeantwortet gelassen: Warum eigentlich ist Jürgen Drews nicht längst ihr Ehrenvorsitzender?

Schließlich war Jürgen Drews ein grüner Propagandist der allerersten Stunde – und das nicht nur wegen seiner Liebe zur Natur, die er in seinem Hit „Ein Bett im Kornfeld, / ja das ist immer frei“ besang. Sein Lied kam bei aller Aufdringlichkeit dezenter daher als die Blut-und-Boden-Schnulzerei des grün-braunen Natur- und Bäckerburschen Heino. „Ein Bett im Kornfeld“ war eine Feier der locker-unkonventionellen grünen Lebensweise: „Ein Bett im Kornfeld, / und was ist schon dabei? / Die Grillen singen, / und es duftet nach Heu, / wenn wir träumen.“

Bereits 1977 war Jürgen Drews eine treibende Kraft des Progressiven. Weit stieß er die Tür auf für das am Horizont sich schon abzeichnende grüne Projekt – mit seiner LP „Barfuß durch den Sommer“. Das Album enthielt die Verheißung größtmöglicher sexueller Freizügigkeit – im Titelstück heißt es u. a.: „Ich werf’ die Steaks auf den Rost, / und ab geht die Post / mit uns beiden“ – und die erste grüne Parteihymne.

„Hotel California“, ursprünglich von den Eagles, wurde in einer deutschen Fassung von Jürgen Drews gesungen: „Wir fuhren gegen Süden / auf der Autobahn / in uns’rem alten Cabrio, / Sommerwind in den Haar’n, / braungebrannt und die Blue Jeans / von der Sonne gebleicht, / und als es beinah schon dunkel war, / war der Strand erreicht. / Und wir stiegen aus und rannten / barfuß durch den Sand, / küssten und umarmten uns / tanzten einen Freudentanz. / Da sah’n wir hinter den Dünen / aus Beton eine Wand / und ein großes Schild davor, / auf dem geschrieben stand: Willkommen im Hotel California, / hier werden Träume wahr, / die Welt ist wunderbar, / und die Sonne scheint immer im Hotel California, / und wer hier einmal war, / der kommt jedes Jahr.“

Jenseits aller kritisch-aufklärerischen Ironie, die das Lied schon in seiner ersten Strophe versprüht: Barfuß gegen den Beton – und vor allem auch gegen den Feuilleton-Beton in den Herzen und Seelen, das war es doch! Das war grundgrün, und Jürgen Drews brachte es auf den Punkt. (Obwohl ich nicht verhehlen kann, dass ich bei dem Wort „Barfuß“ immer zuerst an die westfälische Wurstfabrik Barfuß und an den auf die firmeneigenen Lkw geschriebenen Slogan „Barfuß – Wurst aus Westfalen“ denken muss.)

Wie ich hier überhaupt etwas gestehen möchte: 1980, als 18-Jähriger, bei einer Wahl zum Europäischen Parlament, habe ich – erstmals wahlberechtigt – die Grünen gewählt. Wäre mir damals klar gewesen, dass Gerechtigkeitskitsch und Menschenrechtsfolklore unweigerlich in jene staatlich legitimierte und betriebene Mörderei münden, wie man sie 1999 in der grünen Hetze zum Krieg der Nato gegen Jugoslawien erlebte, ich hätte es nicht getan.

Aber 1980 propagierte ich die Sache sogar – und das, obwohl ich Graham Parker gehört und Jacques Mesrine gelesen hatte und für den bürgerlichen Mainstream verloren war. So dumm ist man eben mit 18.

Was aber ein richtiger Grüner ist, der bleibt es lebenslänglich.