■ Die anderen
: Zur CDU-Parteispendenaffäre meint die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ / Zum gleichen Thema schreibt „Die Woche“

Zur CDU-Parteispendenaffäre meint die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit: Das Kohl-System? Es bestand und besteht aus dutzenden von Menschen, die sich teils aus Schwäche und Angst, teils aus Opportunismus, teils aus Bewunderung für Kohl in eine viel zu große Abhängigkeit begeben haben, manchmal an der Grenze zur Hörigkeit. Wer heute privat mit diesen Politikern spricht, spürt ihre Malaise. Solche unfreien Menschen, die sich jahrelang demütigen ließen, vor allem auch selbst demütigten: Können ausgerechnet sie die Partei wieder zum Erfolg führen? So, wie die Union mit ihrer Katastrophe umgeht, kann nichts Gutes herauskommen. Die neuen Muster sind die altbekannten. Rascher und umfassender Aufschluss über alle Machenschaften ist von Vorteil für die CDU, aber von Nachteil für Politiker, die am System Kohl teilhatten. Plötzlich schwanken sie zwischen Parteiinteresse und Eigeninteresse, die sie einst gleichsetzten. Doch wer zu spät kommt mit der Wahrheit, bestraft sich selbst. Siehe Schäuble. Die CDU braucht eine Zäsur, doch ihr fehlt die Kraft dazu. Die Erneuerer wagen sie (noch) nicht. Am Schluss schafft es vielleicht nur Kohl selbst, sein System zu überwinden. Möglich aber auch, dass Kohl den Rückzug vorbereitet und nur eines noch möchte: Schäuble demontieren.

Zum gleichen Thema schreibt Die Woche: Wer bringt den Mut auf, sich ohne taktische Mätzchen an die Spitze einer Erneuerung zu setzen? Wagen die Jüngeren den Aufstand? Skepsis ist angezeigt: Überwiegt nicht jene mitunter aggressive Trotz-alledem-Stimmung, die sich auf Kundgebungen in ekstatischen „Helmut, Helmut“-Chören zu entladen pflegt? Es ist niemand zu erkennen, dem die Zähmung und Integration dieser gefährlich emotionalisierten Fußtruppen zuzutrauen wäre. Alles „nur“ CDU? Die Spendenaffäre hat sich längst zu einer Abrechnung mit der Bonner Republik ausgewachsen, zur bislang vielleicht schwersten Vertrauenskrise der Parteien überhaupt. Die gesetzwidrigen Zwangsbeiträge der grünen Bundestagsabgeordneten zu ihrer Parteikasse sind dabei nur eine Arabeske; nicht aber das späte Aufbrechen des von Johannes Rau geprägten sozialdemokratischen Filzsystems. Wohlgemerkt: Der Missbrauch der Staatsbank als Charterflieger, der obskure Sparclub, dem Rau unter dem fürsorglichen Patronat des West-LB-Chefs angehört, sind in der Dimension mit dem CDU-Komplex nicht vergleichbar. Und doch gibt es verblüffende Parallelen zwischen den Systemen Kohl und Rau: Degenerationserscheinungen jahrzehntelanger unzureichend kontrollierter, heuchlerisch verbrämter Macht.