Verzweifelte CDUler legen sich neuem König zu Füßen

Wird Kurt Biedenkopf, der beliebte CDU-Regent aus Sachsen, neuer Vorsitzenderder CDU? Ein Vertrauter: „Die müssten schon auf Knien zu ihm gerutscht kommen“

Berlin (taz) – „Schöner kann’s doch gar nicht sein“, beschreibt ein Vertrauter Kurt Biedenkopfs die Lage des sächsischen Ministerpräsidenten. „König Kurt“ regiert seit Jahren mit ungebrochener CDU-Mehrheit in Dresden, Wähler und Wirtschaft liegen ihm gleichermaßen zu Füssen. Warum sollte so einer das Erbe Helmut Kohls übernehmen wollen? „Die müssten schon auf Knien zu ihm gerutscht kommen“, sagt der Mitarbeiter. Es könnte bald so weit sein.

Mit der Euphorie der Verzweifelten nennen manche CDUler in diesen Tagen Biedenkopfs Namen, wenn die Rede auf mögliche Nachfolger von Parteichef Wolfgang Schäuble kommt. Seit Schäubles Geständnis, persönlich hunderttausend Mark in bar vom Waffenhändler Schreiber angenommen zu haben, sagt selbst ein ihm wohl gesonnener CDU-Abgeordneter: „Der ist wahrscheinlich nicht mehr zu retten.“ Der Hamburger CDU-Fraktionschef Ole von Beust formulierte es gestern nur wenig diplomatischer: Der derzeitige Parteivorsitzende sei „schwer angeschlagen“. Im Übrigen gelte: „Jeder ist ersetzbar, auch Wolfgang Schäuble.“

Auffallend ist das positive Echo, auf das die Idee einer Biedenkopf-Kandidatur in unterschiedlichen Teilen der Partei stößt. Ein Christdemokrat, der Biedenkopf-Nähe eher unverdächtig, gerät gar ins Schwärmen ob der Vorzüge des Mannes. „Er steht für den Gegenentwurf zum System Kohl.“ Immerhin habe Kohl ihn zum Outlaw gemacht, obwohl Biedenkopf bis 1977 als loyaler CDU-Generalsekretär gedient habe. „Kohl war der Antiintellektuelle, Biedenkopf ist der Prototyp des Intellektuellen.“ Im Gegensatz zu Kohl sei er diskursfähig. Anders als Angela Merkel etwa sei er die personifizierte Überwindung der Trennung in Wessis und Ossis.

Aber auch machtpolitische Erwägungen sprächen für den Sachsen. Wirtschaftspolitisch könnte er es mit Schröder locker aufnehmen, und der CSU ist Biedenkopf seit der gemeinsamen sächsisch-bayerischen Zukunftskommission verbunden.

„Es ist eine Überlegung mit Charme“, heißt es an der Spitze eines westdeutschen Landesverbands. Natürlich sei es kein Signal für einen Aufbruch. „Aber braucht die Partei den?“, fragt einer. „So wie sie in der Scheiße steckt: Nein.“ Ein Elder Statesman für den Übergang wäre der fast 70-Jährige nach dieser Überlegung. Unter seiner Obhut könnte dann ein Jüngerer „wachsen und reifen“, bis er den Vorsitz aus eigener Kraft übernehmen kann. Im Übrigen hätten die Auswirkungen der Spendenaffäre bis dahin alle Belasteten unter den Kohl-Enkeln hinweggerafft – Volker Rühe etwa, der als CDU-Generalsekretär womöglich mehr von schwarzen Kassen wusste, als bisher bekannt ist.

„Ich kann der Lösung Biedenkopf sehr viel abgewinnen“, meint auch ein enttäuschter Schäuble-Anhänger in der CDU-Bundestagsfraktion, „aber nur dann, wenn man ihn nicht als Übergangskandidaten betrachtet, sondern als Mann mit Perspektive.“ In der Mediendemokratie sei es wie beim Catchen, dem Fernsehschaukampf. Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die beiden Hauptkonkurrenten, den Bundeskanzler und den Oppositionsführer. „Der muss es mit Schröder aufnehmen können“ – einem CDU-Chef auf Abruf sei das nicht zuzutrauen.

Doch die Sache hat einen Haken. Biedenkopf hat kein Bundestagsmandat, er könnte Schäuble nicht auch noch als Fraktionsvorsitzender beerben. Opposition aber wird vor allem im Bundestag gemacht. Je größer die Not der Christdemokraten wird, desto mehr verblassen allerdings solche Einwände.

Die Biedenkopf-Spekulationen wurden am Donnerstag unterfüttert durch Äußerungen des Generalsekretärs der CDU Sachsen. Frank Kupfer sagte der Leipziger Volkszeitung, sollte sich zeigen „dass es Angela Merkel als Generalsekretärin allein nicht schafft, ist Biedenkopf ganz sicher ein hervorragender Moderator“. Biedenkopf selbst lehnte, taktisch klug, gestern einen Kommentar ab. „Es gibt immer noch Leute, die sich an die Zeit erinnern, als er CDU-Generalsekretär war“, sagt ein Weggefährte, „davon träumen heute noch viele.“ Patrik Schwarz