Formular in den Schredder

■ Vermieter müssen in Zukunft nicht mehr bestätigen, dass der neue Mieter auch wirklich eingezogen ist / Der Innensenator will das überflüssige Formular abschaffen

Neubremer haben es nicht leicht. Doch auch umzugswillige Alteingesessene müssen in der bürgerfreundlichen Stadt Bremen mit der Melde-Behörde kämpfen. Besonderes Kopfschütteln lockt seit Jahren das Formular „Bestätigung über den Einzug bzw. Auszug aus einer Wohnung“ hervor, das jeder Vermieter unterschreiben muss, damit Neumieter in Bremen umgemeldet werden können. Mietverträge werden als Nachweis nicht akzeptiert. Meist wird dem unkundigen Bürger das Formular erst beim ersten Anmeldeversuch überreicht – neue Nummer ziehen, wenn ausgefüllt.

Wie schon viele vor ihm, blitzte auch Jens Siemering bei seinem ersten Anmeldeversuch zunächst ab: Die „völlig überflüssige Bescheinigung des Vermieters“ hatte er zwar dabei, allerdings war sie nicht ordnungsgemäß ausgefüllt. Ein zweiter Gang zur Behörde ließ sich nicht vermeiden. Im Internet machte sich der Neubremer Luft. Die Stadt Bremen antwortete ihm postwendend: Die Bescheinigung sei „nicht sinnlos, sondern soll ,Scheinanmeldungen' verhindern, die es früher in großer Zahl gab“. Man hoffe, dass sich Herr Siemering trotz des Anfangsärgers „in unserer Stadt“ wohlfühlen werde. Erst im Oktober hat Bremen übrigens den 2. Platz beim Bangemann-Wettbewerb „Bürgerorientierte Kommune“ gewonnen.

Was weder die Behörde noch die Abgeordneten der Bürgerschaft wissen: Dem Papier soll endlich der Garaus gemacht werden. Innensenator Bernt Schulte (CDU) würde sich einer Gesetzesänderung des Paragraphen 14 Absatz 1 nicht in den Weg stellen, berichtet Senatoren-Pressesprecher Hartmut Spiesecke. Formal könnte der Senator eine Gesetzesänderung in die Bürgerschaft einbringen, die dann dort beschlossen werden müsste. Die Zustimmung wäre so gut wie sicher: Keine Fraktion würde sich heute die Blöße geben, als Bürokratiehengst dazustehen.

Mitte der 80er Jahre war das noch anders. In einer hitzigen Bürgerschaftsdebatte begründete am 23. Oktober 1985 Ralf Bergen, damals wie heute CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, die damals gewollte und später teilweise durchgesetzte Gesetzesverschärfung: „Durch die Möglichkeit der Scheinanmeldung wird der Kriminalität über das Sichentziehen von Unterhaltsverpflichtungen bis in die Bereiche des Terrorismus Vorschub geleistet“. Der damalige Innesenator Volker Kröning (SPD) hielt dagegen: „Dramatisieren Sie das Thema nicht“. Die erschwerte Anmeldung würde das Problem ohnehin nicht lösen. Zeitungsüberschriften wie „Scheinwohnungen und Geisteradressen: Melderecht öffnet Türen für Gangster, Gauner und Ganoven“ seien der Sache nicht dienlich.

Viel Wasser ist seitdem die Weser hinunter und wieder hinaufgeflossen, und die Emotionen haben sich längst beruhigt. Volkszählung und deutscher Herbst liegen lang zurück. Auch der CDU-Abgeordnete Bergen ist etwas gelassener geworden: „Vor 15 Jahren war ich noch massiv für die Anmeldepflicht des Vermieters. Heute würde ich sagen: Ach Gott, ja. Wer betrügen will, kann weiterhin betrügen. Wenn man es dem Bürger leichter machen kann, warum nicht?“ Dennoch seien Scheinanmeldungen weiterhin ein Problem, hält er aber an der alten Ideologie fest. „Es wird sie weiter geben: ob von Linken, Rechten oder Asylanten“. Man darf gespannt sein, wann das Formular aus den Amtsstuben verschwindet. Christoph Dowe