„Ich sehe nur so aus wie er“

Franz Beckenbauer hat einen leibhaftigen Doppelgänger. Sein Name: Jürgen Holletzek. Auch er will den deutschen Fußball retten ■ Aus München Gerald Kleffmann

Man kennt das ja noch von der RTL-Comedy-Show „Samstag Nacht“. „Zwei Stühle, eine Meinung“ hieß da ein Sketch, in dem Wigald Boning seinen Partner Olli Dittrich interviewte. Dittrich war stets als Prominenter verkleidet. Mal war er Rudi Carrell, mal Helmut Kohl, dann wieder der Hackl Schorsch. Besonders amüsant war sein Auftritt als Franz Beckenbauer, den er annähernd perfekt parodierte. „Ja mei, der Loddarmaddäus, ein Leitwolf, der kann links, der kann rechts...“, sagte Dittrich damals, und ganz Fernseh-Deutschland lachte.

Wenn dagegen Jürgen Holletzek spricht, lacht keiner. Die Leute staunen eher. Denn Holletzek muss sich nicht verkleiden, um wie Beckenbauer auszusehen. Doppelgänger nennt man solche Menschen, aber das hört Holletzek nicht gern. „Ich bin nicht sein Doppelgänger“, sagt er dann, „ich sehe nur so aus wie er.“

Das stimmt. Wenn man Holletzek gegenübertritt, glaubt man wirklich, die vorgebliche Lichtgestalt des deutschen Fußballs stehe vor einem. Nase, Ohren, Augen; alles wie bei Beckenbauer. Ebenso Gestik und Mimik. Beginnt Holletzek zu reden, geht sein Blick in die Ferne, wie bei einem Kapitän, der von seinem Schiff übers Meer blickt. Seine Sätze wirken gestanzt, „ja gut, sicher“, sagt er oder „ja, da haben Sie Recht“. Man kennt das vom Original.

Selbst die Frisur der beiden ist gleich. Die Farbe verrät allerdings, dass Holletzek jünger ist. Beckenbauer hat weiße Haare. Wenn er sie nicht tönt. Die von Holletzek sind grau. Er ist auch erst 44. Beckenbauer ist 54.

„Ich werde jeden Tag darauf angesprochen“, sagt Holletzek, „das nervt manchmal.“ Oder er wird um ein Foto gebeten, von fremden Leuten. Dann stellt er sich hin und lässt das Spiel über sich ergehen. Er sagt: „Ich kann es nicht ändern.“ Was nicht ganz richtig ist. Für sein Gesicht kann Holletzek nichts, das hat die Natur so entschieden. Aber die Kleidung, die kann jeder beeinflussen. Trotzdem trägt Holletzek ein blaues, halbärmeliges Designerhemd, dazu elegante, schwarze Schuhe und Bundfaltenhose. Wie Beckenbauer oft. Selbst die Brille, die er hat, ähnelt der von Beckenbauer. Sie ist ohne Rahmen. Absicht? „Nein, mein Schwager ist Optiker, er hat sie mir empfohlen“, sagt Holletzek. Und die stilvollen Kleider? „Es gibt so viele Gemeinsamkeiten zwischen uns.“ Er grinst schelmisch: „Unglaublich.“ Vielleicht ist es ja doch Absicht.

Holletzek ist kaufmännischer Angestellter bei einer Wohnungsbaufirma in Höxter. Das ist durchschnittlich. Hervorzuheben ist da eher sein Hobby: Holletzek will den deutschen Fußball retten. Das klingt etwas überspitzt, ist aber gar nicht so falsch. Denn Holletzek ist Partner von Michael Rummenigge. 1991 lernte er den Ex-Profi kennen, man freundete sich an und eine gemeinsame Idee entstand: die Michael-Rummenigge-Fußballschule. Natürlich wollen die beiden daran verdienen. Aber Holletzek sagt auch: „Wir wollen, dass die Kinder wieder Spaß haben am Fußball. Sie sollen nach der Schule ihre Hausaufgaben machen, dann den Ball nehmen und spielen.“ Der Satz hätte auch von Beckenbauer stammen können. Er hat früher einmal gesagt: „Kommt, geht’s raus und spielt’s Fußball.“

Und die Parallelen gehen noch weiter. Beckenbauer ist Vizepräsident beim DFB. Und Botschafter für die Bewerbung der WM 2006 in Deutschland. Auch Holletzek engagiert sich beim DFB. Er ist Honorartrainer in Niedersachsen. „Wir sichten 13- bis 17-Jährige“, sagt er, „jeden Montag. Ich mache das alles in meiner Freizeit.“

Man glaubt ihm das. Eine unverkrampfte Ernsthaftigkeit strahlt er aus. Und wie geht seine Familie mit seinem Aussehen um? „Die haben kein Problem“, sagt Holletzek. Seine beiden Söhne, 12 und 17 Jahre alt, „lachen sich immer noch kaputt“. Seine Frau findet sogar, „dass ich Ähnlichkeit mit Beckenbauer habe, vom fußballerischen Verständnis her“. Einmal standen sich Beckenbauer und Holletzek gegenüber. Beim Pokalfinale dieses Jahr in Berlin. Sie hätten sich die Hände gegeben, sagt Holletzek, „wir haben gelacht und er ist weiter gegangen“. Vielleicht, hofft Holletzek, „treffen wir uns mal länger“.

Was allerdings gar nicht so leicht ist: Neulich war Holletzek mit 40 Jungs seiner Fußballschule beim Training des FC Bayern. Der echte Beckenbauer war nicht da. Viele der Kinder haben es nicht gemerkt. Eifrig holten sie sich Autogramme von Holletzek. „Natürlich“, sagt er, „unterschreibe ich mit meinem Namen.“ Der unterscheidet ihn nach wie vor von seinem Doppelgänger.

Gemeinsamkeiten ohne Ende. Nur: Beim Foto mit einigen Kindern stellte sich Holletzek dazu und schrie, als die Kamera knipste, mit der Gruppe laut im Chor: „Ameisenscheiße!“ Ob das der wahre Kaiser auch gesagt hätte?