Hohe Haftstrafen für Kriegsverbrecher

Wegen eines Massakers im zentralbosnischen Dorf Ahmici im Jahre 1993 verurteilt das UN-Tribunal in Den Haag fünf bosnische Kroaten. Verfahren gegen Hintermänner der Greueltaten stehen noch aus ■ Von Erich Rathfelder

Sarajevo (taz) – Wegen des Massakers in dem zentralbosnischen Dorf Ahmici im April 1993 wurden fünf bosnische Kroaten gestern in Den Haag zu hohen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte und ehemalige Chef der regionalen Militärpolizei, Vladimir Santić, muss für 25 Jahre ins Gefängnis, vier Mitangeklagte erhielten je 15 Jahre, einer der Angeklagten, der Soldat Dragan Papić, wurde freigesprochen. Die Strafmaße bleiben hinter den Anträgen der Staatsanwalt zurück. Gegen die Urteile ist Berufung möglich.

Als am 16. April 1993 eine Gruppe bosnisch-kroatischer Soldaten und Freiwilliger das Dorf Ahmici angriff, lagen die meisten Bewohner noch im Bett. Ab 5.30 Uhr verwandelte sich das knapp 400 Seelen zählende Dorf in ein Inferno. Mit Artillerie- und Maschinengewehrfeuer gingen vermummte kroatische Soldaten gegen muslimische Familien vor.

Die meisten der Häuser wurden zerstört, 116 Menschen getötet, Frauen und Kinder in eine nahe gelegene Schule gebracht, während die gefangenen Männer Schützengräben an den Frontlinien ausheben mussten – sie wurden als lebende Schutzschilde missbraucht. Nach Aussagen von Überlebenden sollen die kroatisch-bosnischen Soldaten muslimische Männer nach deren Gefangennahme gefoltert und erschossen haben. Ganze Familien wurden in ihren Häusern eingeschlossen und verbrannten.

Nach dem gleichen Schema wurden auch andere Dörfer angegriffen. Deshalb sahen die Ermittler den Fall Ahmici als Teil eines Plans zur ethnischen Säuberung an. Dem zufolge versuchten die bosnisch-kroatischen Streitkräfte, ganz Zentralbosnien unter Kontrolle zu bekommen und die Muslime zu vertreiben.

Bei den Massakern taten sich der aus einem Nachbardorf stammende Drago Josipović, die Brüder Zoran und Mirjan sowie der Cousin der beiden, Vlatko Kupreskić, besonders hervor. Die vier wurden jetzt zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Kupreskić-Familie besaß ein Geschäft in dem Dorf, dessen Garage und Lagerhalle nach dem Angriff als Gefängnis benutzt worden sein sollen.

Der Fall Ahmici ist noch lange nicht abgeschlossen. Im Falle von Tihomir Blaskić wird auch gegen den militärischen Kommandeur der kroatisch-bosnischen Armee HVO der Region verhandelt. Zudem steht das Verfahren gegen den Hauptangeklagten der damaligen Massaker, den ehemaligen Vizechef des Ablegers der damaligen kroatischen Regierungspartei HDZ, Dario Kordić, noch aus. Der frühere Aktivist der kroatischen Nationalisten befindet sich seit 1997 in Den Haag, die Ermittler warten jedoch immer noch auf Akten aus Zagreb. Weil vermutet wird, dass die militärische Aktion in Zentralbosnien 1993 von der kroatischen Regierung inspiriert war, könnten diese Akten Aufschluss über die Kommandostrukturen geben. Die bisherige Regierung in Zagreb weigerte sich, diese Akten herauszugeben. Angesichts des Machtwechsels könnte die „Bereitschaft zur Kooperation“ zunehmen.

In Den Haag erwartet man die Auslieferung von Mladen Naletelić, der sich in Zagreb in einer Art „Schutzhaft“ befindet. Er ist ein Krimineller und militärischer Führer aus Mostar, der in viele Verbrechen verwickelt sein soll.

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