Kümmer du dich drum, Steve!

■ Bill Gates will nicht mehr Microsoft-Boss sein: Er überlässt seinen Chefposten der früheren Nummer zwei, Steve Ballmer, während sein Unternehmen von der Kartellbehörde und AOL-Time-Warner in die Enge getrieben wird

Unter dem Eindruck einer drohenden Neuordnung durch das Justizministerium hat Microsoft offenbar beschlossen, selbst ein wenig umzustrukturieren. Zwei Tage nachdem Pläne zur Dreiteilung Microsofts durchsickerten und drei Tage nach der Ankündigung des Zusammenschlusses von AOL und Time Warner kündigte Bill Gates an, er werde seine Position als Vorstandsvorsitzender an seinen langjährigen Freund Steve Ballmer abgeben. Bill Gates bleibt allerdings Vorsitzender des Verwaltungsrates und hat sich eine neue Position auf den Leib geschneidert, die des obersten Softwarearchitekten.

Was hat dieser Rückzug mit den Ereignissen zu tun, die die Medienwelt der USA in den letzten Tagen erschüttern? Mit dem aktuellen Kartellverfahren gegen Microsoft, bei dem die amerikanische Bundesregierung offenbar eine Aufteilung Microsofts anstrebt? Microsoft, so war in den letzten Tagen zu hören, soll in drei Firmen aufgeteilt werden, eine, die Windows weiterentwickelt und vertreibt, eine, die sich um Anwendungssoftware kümmert, und eine dritte, die sich auf Aktivitäten im Internet konzentriert. „Bill hatte nicht das Herz, den Vorsitz über die Zerschlagung seiner Firma zu führen“, mutmaßt Paul Saffo, Direktor des „Institute for the Future of the Silicon Valley“, eines High-Tech-Think-Tank.

Bill Gates ist schon vor langer Zeit auf Grund der dominierenden Marktposition seines Windows-Betriebssystems in die Kritik geraten. 1995 bekam seine Firma erstmals Ärger mit dem Kartellamt, als Microsoft Intuit kaufen wollte, den Hersteller einer populären Steuererklärungs- und Haushaltsführungssoftware. 1998 dann strengten 20 Bundesstaaten sowie die amerikanische Bundesregierung ein Kartellverfahren gegen Microsoft an. Dem Softwaregiganten wurde vorgeworfen, seine dominante Stellung im Markt bei Betriebssystemen und Software zu missbrauchen, um Wettbewerb und Innovation zu unterbinden. Ein Voraburteil, das der vorsitzende Richter im November letzten Jahres fällte, fiel vernichtend aus. Das war nicht das erste Mal, dass Gates stolperte, erklärte Saffo der Washington Post: „Er ist erst übers Internet, dann übers World Wide Web und schließlich übers Justizministerium gestolpert.“

In der Tat hat Microsoft die stürmische Entwicklung des Internets zunächst verschlafen und dann Microsoft Network (MSN) als Internetprovider in Konkurrenz zu AOL und CompuServe gegründet. Microsoft hatte selbst AOL zu kaufen versucht. MSN aber verkam als Internetanbieter zur Bedeutungslosigkeit. Dann verschlief Microsoft die Entwicklung der Browser-Software und verlor die Initiative an Netscape, eine Firma, die wie Apple und Microsoft in einer Garage anfing und heute Milliarden wert ist.

Möglicherweise aber hat der Zusammenschluss von AOL und Time Warner größeren Einfluss auf die Reorganisierung Microsofts als die drohende kartellrechtliche Zerschlagung. AOL hat sich zu einem erst zu nehmenden Konkurrenten Microsofts aufgeschwungen, der erst Netscape kaufte und jetzt, dank Warner, zum größten Mediengiganten aller Zeiten geworden ist.

Microsofts Erfolg hing mit der Entwicklung und genialen Vermarktung von MS-DOS und Windows zusammen und mit der Entwicklung von Software wie Word, dem meistgebrauchten Textverarbeitungsprogramm. Mit der Schaffung der Position des obersten Softwarearchitekten für sich steckt Bill Gates sein Territorium in einer jener Entscheidungsschlachten des neuen IT-(Information Technology)-Zeitalters ab.

„Das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wird das Jahrzehnt der Software sein“, kündigte Bill Gates auf der Pressekonferenz in Redmond an. Was Gates anstrebt, ist die Vereinheitlichung aller Betriebssysteme aller elektronischen Medien und die Schaffung eine Art Super-Windows, das alle Softwareapplikationen der Welt vereinheitlicht, vom Computer bis zum Handy, vom Zapper bis zum elektronischen Terminkalender, vom ans Internet angeschlossenen Kühlschrank bis zum Pager.

AOL hingegen setzt auf Content, auf das Angebot von Inhalten, die durch die neuen Medien transportiert werden. Das ist eine dieser gigantischen Schlachten wie die zwischen Fernsehen und Internet, Kabel und Telefon. Bill Gates wird es nicht leicht haben. „Ich glaube, Microsofts Allgegenwartsstrategie ist schon gescheitert“, vermutet Matthew Forester, ein Analyst für die Softwareindustrie, „es gibt heute schon im Internet mehr Server, die auf Linux laufen, als auf Windows, von Systemen wie Sun Microsystems ganz zu schweigen.“ Bill Gates, der sich bisher alljährlich mehrere so genannte Denkwochen freinahm, um – nun ja – nachzudenken und Visionen zu entwickeln, wird jetzt viel Zeit haben, genau das zu tun. Mit ihm und seinen Ideen muss weiter gerechnet werden. Denn in Pension ist er noch nicht gegangen.

Peter Tautfest, Washington