Bill Gates macht jetzt in Architektur

■ Reichster Mann der Welt und bisheriger Microsoft-Chef zieht sich aus dem Tagesgeschäft zurück. Börse reagiert gelassen bis freundlich. Zerschlagung des Konzerns könnte Oberstes Gericht der USA beschäftigen

Berlin (taz/) – Der meistbewunderte und bestgehasste Mann der Computerwelt hat seinen Posten aufgegeben: Bill Gates ist nicht mehr Vorstandschef von Microsoft. Sein Nachfolger wird Steve Ballmer (43), gab vorgestern die Firma aus Redmont bei Seattle kund. Gates wechselt auf den Posten des Chairman, im US-amerikanischen Aktienrecht eine Art Aufsichtsratsvorsitzender. Außerdem führt er künftig den Titel „Chief Software Architect“, Oberster Software-Architekt. Ballmer ist seit zwanzig Jahren bei Microsoft und hatte schon bisher zu einem großen Teil die Tagesgeschäfte beim größten und profitabelsten Softwarekonzern der Welt geführt.

Gates bleibt natürlich weiter der Hauptaktionär des Konzerns. Ihm gehören etwa ein Fünftel der Anteile. Der Gesamtwert Microsofts an der US-Börse Nasdaq liegt derzeit knapp unter 500 Milliarden Dollar – Weltspitze.

Laut Gates kann er durch den Wechsel endlich zu dem zurückkehren, „was ich am meisten liebe – die Konzentration auf die Technik der Zukunft“. Befreit von den Tagesgeschäften will er „helfen, die nächste Generation von Windows-Internetsoftware und -diensten“ mitzugestalten. Das Betriebssystem Windows ist eine der Säulen des Microsoft-Geschäfts. Es hat sich allgemein als Grundlage für den Betrieb von Personalcomputern durchgesetzt. Windows ist auch eine der Hauptquellen der Microsoft-Profite, die in den vergangenen Jahren jeweils im zweistelligen Milliarden-Mark-Bereich lagen.

Die Aktienmärkte nahmen Gates’ Teilrücktritt gelassen, ja sogar positiv auf. In Frankfurt stieg die Aktie um 5,76 Prozent auf 105,50 Euro. Im vorbörslichen Computergeschäft in den USA wurden 107,75 Dollar geboten. Am Donnerstag hatte die Aktie in den USA bereits im Zuge von Spekulationen im Vorgriff auf die Erklärung von Gates um 1,89 Prozent auf 107,81 Dollar angezogen.

Die aktuell wichtigste Frage für Microsoft ist ein schwebendes Kartellverfahren. Einige Bundesstaaten und die US-Regierung in Washington werfen dem Konzern vor, er nutze seine Marktmacht, um Konkurrenten aus dem Geschäft zu drängen. In einem ersten Spruch hatte ein Bundesrichter diese Vorwürfe weitgehend anerkannt. Derzeit laufen hinter verschlossenen Türen Vermittlungsgespräche mit dem Ziel eines Vergleichs. Laut jüngsten, nicht bestätigten Meldungen haben sich jedoch die US-Regierungen auf eine harte Linie geeinigt: Sie fordern entweder eine Zerschlagung des Konzerns in zwei oder drei Sparten – Software für Privatleute und fürs Business beispielsweise – oder dass der Softwareriese die wichtigsten Betriebssysteme an seine Konkurrenten lizenziert. Microsoft wird darauf kaum eingehen, sondern lieber einen Gang vor das Oberste Gericht riskieren. Der neue Chef Ballmer kritisierte denn auch das Kartellverfahren. Es sei „unverantwortlich“, die Firma zu zerschlagen.

Die Börse ist sich in der Bewertung des Verfahrens uneins. Manche vertreten gar die Meinung, dass die Summe der Teile mehr wert sei als der Gesamtkonzern. Andere argumentierten, wenn der Markenname wegfalle, sei dies eher schlecht für das Unternehmen. Derzeit stehen also hinter Microsoft viele Fragezeichen und eine Menge Spekulationen. rem/taut

Schwerpunkt Seite 2, Ökolumne Seite 8