„Das soll ja hier eine Großstadt sein“

■ Stephan Gollasch ist Ersatztorhüter beim FC St. Pauli. In der kommenden Saison will der Mann im Ausland spielen. Ein Gespräch über Frust, Metropolen und die Hamburger Presse

taz : Sie kommen gerade vom Training. Spielen Sie heute Abend im Testspiel gegen den SC Condor?

Stephan Gollasch (lacht): Das weiß ich doch jetzt noch nicht. Das sagt der Trainer immer erst kurz vor dem Spiel. Mir ist es auch schon passiert, dass ich nach dem Training aus der Dusche kam und schon gehen wollte, um dann zu erfahren, dass ich abends noch in der Halle spielen soll. Reimann spricht eben nicht viel mit uns Spielern.

Was waren die bisherigen Stationen Ihrer Karriere?

Bis zur A-Jugend habe ich bei Arminia Bielefeld gespielt, von da bin ich nach Gütersloh in die Oberliga, dann zurück zu Bielefeld in die Regionalliga, nach Göttingen zu 05, später zur dortigen Spielvereinigung. Dann kam Babelsberg (bei Potsdam) und seit zwei Jahren bin ich jetzt hier.

Offenbar bleibt Klaus Thomforde ja länger verletzt. Sie könnten also bei den Profis zweiter Mann bleiben und in der Regionalliga im Tor stehen. Stellt sich die Frage, warum Sie unbedingt weg wollen?

Ich muß einfach wieder spielen. Ich habe keine Lust mehr, in der Reserve rumzugurken. Wenn Du siehst, dass Du einfach keine Chance bekommst...da ist es schwer, sich zu motivieren. Insofern bin ich froh, dass ich wenigstens bei den Amateuren spiele. Das lenkt ein bisschen von dem Frust ab. Ich würde auch zu einem guten Drittligisten wechseln. Im Moment kümmere ich mich aber eher um die Kontakte ins Ausland. Dort würde ich am liebsten spielen.

Fühlen Sie sich in Hamburg ungerecht behandelt?

Nein, wirklich nicht. Schließlich hält Wehlmann ja gut, und da gibt es einfach keinen Grund, den Torwart auszutauschen. Wenn er die absolute Bratwurst wäre, wäre es sicher bitterer, dass ich nie eine Chance bekommen habe. Ich muss einfach was Neues sehen.

Mal angenommen, der Stammtorwart bleibt in der 70. Minute verletzt liegen. Selbst, wenn man sich noch so gut versteht: Hofft man nicht mal ganz kurz, dass er sich verletzt hat?

Nee, dann würde es ja heißen, der Gollasch spielt jetzt nur, weil sich die Nr. 1 verletzt hat. Wenn ich spiele, will ich durch Leistung bewiesen haben, dass ich wirklich die Nummer 1 bin. Ansonsten bin ich halt wohl zu schlecht gewesen. (grübelt) Ach nee, bei einer Verletzung des Stammtorwarts würde ich mich nicht wohl fühlen.

Sie sind ja schon ganz schön rumgekommen: Kann man als Profi-Fußballer denn überhaupt irgendwo heimisch werden?

Wenn ich meine ganzen Probetrainings dazuzähle, war ich wirklich schon fast in jeder Ecke Deutschlands: Karlsruhe, Frank-furt, Wolfsburg. Heimisch wird man so schnell nirgends. Auch nicht bei den Vereinen, wo man 1-2 Jahre spielt. Warum sollte ich z.B. in drei Jahren nach Hamburg zurück?

Aber Wolfsburg muß ja vielleicht auch nicht sein. Spielt denn der Ort des jeweiligen Arbeitsplatzes so eine geringe Rolle?

Ich entscheide da nur nach der sportlichen Perspektive. Wonach denn sonst? Ehrlich gesagt ist Hamburg für mich mittlerweile auch langweilig geworden, wie Bielefeld auch. Das soll ja hier angeblich eine Großstadt sein. Aber vergleiche Hamburg mal mit Berlin: Nach anderthalb Tagen hast Du noch nicht die Hälfte von dem gesehen, was Du sehen wolltest. Wer weiß, vielleicht gefällts mir ja im Ausland so gut, dass ich dort heimisch werde. Dass ich einfach mal so im Ausland arbeiten kann, ist natürlich ein Riesen-Privileg, das wir Fußballspieler da haben. Ich glaube nicht, dass ich als gelernter Heizungsmonteur so in der Weltgeschichte rumkommen würde.

Nun wohnen Sie ja in St. Pauli. Ist denn wenigstens der Stadtteil etwas Besonderes?

Naja, die Reeperbahn ist vielleicht schon etwas Besonderes. Aber wenn ich das mit Kreuzberg vergleiche...das ist alles eine Ecke heftiger. Dagegen ist St. Pauli richtig schön. Was den Fußball angeht: Wo soll denn hier der vielbeschworene Mythos oder die „große Familie“ sein?

Wo wir gerade beim Rückblick sind: Wie sehen Sie denn die Presselandschaft in Hamburg?

Manchmal habe ich den Eindruck, die saugen sich was aus den Fingern. Es kommt schon mal vor, dass ein Reporter gar nicht beim Training war, aber am nächsten Tag ein Trainingsbericht im Blatt ist. Es ist wahrscheinlich nicht so leicht, jeden Tag etwas schreiben zu müssen: Aber wen interessiert denn, ob Spieler XY zum Zahnarzt musste?

Fragen: Christoph Ruf