Oh Lord, wouldn't you buy me ...

■ Thomas Brasch analysiert in „Mercedes“ die Unsicherheiten der Jugend und das MOKS inszeniert sie für Menschen ab 14 Jahren

Hermann Book als Sakko ist wirklich ganz entzückend, mit seiner schwarzen HipHopper-Strickmütze und einer Cordjoppe, die zwar von JOOP ist, aber ganz nach Altkleiersammlung aussieht. Entzückend stiefelt auch Prisca Maier als Oi mit ihrem zerrupften Outfit daher, wie eine Pippi-Langstrumpf, der gerade mal eben entfallen ist, dass sie langsam einer Altersklasse zutendiert, wo man erste Maßnahmen gegen Cellulitis ergreifen muss.

Wirklich dumm finde ich persönlich aber das Stück von Thomas Brasch. „Mercedes“ thematisiert die Probleme junger Menschen, die von einem gnadenlosen Arbeitsmarkt ausgespuckt wurden und nun mit dem Ungeheuer Freizeit die Heldenkämpfe unserer Tage austragen. Es ist nun schon 17 Jahre her, dass es Langhoff in Zürich uraufführte, und schon damals erschien es vielen Leuten ziemlich altbacken oder oberflächlich-zeitgeistig oder beides zusammen. Thomas Brasch hat ja recht: Es ist in der Tat doof, wenn Menschen einen Daimler Benz vergöttern als Inkarnation eines erfüllten Lebens. Eines aber ist noch viel viel trivialer: wenn ein Schriftsteller die Lust auf ein schickes Auto als Grundmetapher für eine oberflächliche Gesellschaft wählt. Das machen heute nur noch die allerblödsten 0815-Kabarettisten. Aber vielleicht muss man das soziologisch sehen, vielleicht konnte man von einem, der gerade erst von drüben rüber gehüpft war (Brasch verließ die DDR 1976), keine tieferen Einblicke in die westliche Misere erwarten.

Das Stück: In den ersten 30 Minuten erfahren wir, dass Arbeitslosigkeit langweilig sein kann und eine Mutter nervt, die einem im Nacken sitzt, um ein Lob der Arbeit zu flöten. Da uns dies nicht unbedingt unbekannt ist, ziiiieht sich das Stück. Dann kommt Brasch auf eine wahrhaft prickelnde Idee. Wenn es sich schon mal so nett trifft, dass Mann und Frau im selben Sumpf stecken, könnte ihnen doch ein Stückchen Liebe weiterhelfen. Zu befürchten ist, dass Brasch diesen affirmativen Kitsch auch noch ernst meint.

Schon des öfteren versuchte er jedenfalls inhaltliche Nichtigkeiten und sprachliche Ödnis durch formale Spirenzchen wettzumachen. Und so untersuchte er auch in „Mercedes“ die Lebensoptionen seiner zwei lieben Loser (Drogen?, Wegträumen aus der Realität?, Liebe?, Prostitution?, Selbstmord?) anhand einer Art Versuchsanordnung. Da es die 80er Jahre mit den Kunstsprachen hatten, vertürkisierte Brasch die Sätze, will heißen: er vertauschte Subjekt und Prädikat – schließlich sind wir alle gelackmeierte Türken des Kapitals.

Regisseur Stefan Becker muss ein paar Szenen, zum Beispiel von einem gekreuzigten Unternehmer, herausgestrichen haben. Oi und Sakko sind wohl um die 20 Jahre alt. Doch Becker lässt sie drollig toben und lustig necken wie Sechsjährige oder wie Erwachsene in Theaterstücken für Sechsjährige. Ein heikles Unterfangen bei einem Stück, dessen Gaudi-Potential wahrhaft nicht zum Lachen ist. Und auch das schwierige Ding mit dem radikalen Kippen von Komödie zu Tragödie geht bei so einem schwachen Text eher in die Hose.

Wunderschön hingegen sind einige Verdoppelungseffekte. Eine Videokamera dupliziert und vergrößert das Geschehen und manchmal kommuniziert Sakko nicht mehr mit Oi, sondern mit ihrem Leinwandbild. Fragt sich nur wie die „ab 14“-Jährigen drauf sein sollen, die einerseits optische und akustische Feinheiten genießen können, andererseits auf Ringelsöcken stehen und dann wieder zwei Menschen beim schamhaft-verklemmten Liebesturteln im 50er-Jahre-Stil beiwohnen. Wo doch heute schon die Zehnjährigen hartgesottene Erosprobleme in VIVA-TV oder dem Kinderkanal rauf-und-runter-diskutieren – wo unsereins schamrot anläuft. Könnte es sein, dass da unsere Teenies gleich zweimal unterschätzt wurden, von einem Theaterautor und einem Regisseur? bk

20./27./29./30. Januar und 3./5./6./25. Februar, 20Uhr