Ein Sieg des Großkapitals

Der brasilianische Champion Corinthians São Paulo gewinnt gegen Vasco da Gama aus Rio die Club-WM – dank „Elfmetertöter“ Dida und einer texanischen Investmentfirma  ■ Von Gerhard Dilger

São Paulo (taz) – In das schwarzweiße Fahnenmeer mischen sich rote Rauchschwaden. Die Schlachtgesänge der Fanblocks von Vasco da Gama Rio de Janeiro und Corinthians São Paulo hallen wider im weiten Rund des legendären Maracaná-Stadions von Rio. Ein tropischer Regenguss hat die drückende Schwüle kaum lindern können. 82.000 Menschen auf den Rängen und Millionen auf der ganzen Welt fiebern dem Finale der ersten Fifa-Club-WM entgegen. Bis zum Anpfiff des Endspiels war es ein Turnier so ganz nach dem Geschmack der brasilianischen Fußballfans: Die einheimischen Spitzenteams hatten ihre europäischen Rivalen Manchester United und Real Madrid hinter sich gelassen. Und kurz zuvor hatte Mittelamerikameister Necaxa aus Mexiko das Spiel um den dritten Platz gegen die ersatzgeschwächten Spanier im Elfmeterschießen für sich entschieden.

Doch dann folgten 120 Minuten schwer bekömmliche Fußballkost. Wie Brasilien und Italien beim WM-Endspiel von 1994 spielten beide Teams auf Sicherheit. Torchancen blieben Mangelware. Die Vasco-Sturmspitzen Romário („der Kleine“) und „das Tier“ Edmundo waren ebenso abgemeldet wie auf der Gegenseite der wieselflinke Edílson und Mittelstürmer Luizão. Von Heimvorteil konnte für das Team von Vasco nicht die Rede sein, denn am lautstärksten machten sich die über 20.000 Fans des brasilianischen Meisters Corinthians bemerkbar, von denen die meisten am selben Tag in einer Buskarawane angereist waren.

Um so größer die Erleichterung, als der Schiedsrichter beim Stand von 0:0 zum Elfmeterschießen bat. Nationaltorwart Dida hatte zuletzt fast alle Strafstöße pariert, und auch diesmal hielt er den von Gilberto. Als Edmundo den letzten Elfmeter rechts neben das Tor setzte, war der erste internationale Titel für die Schwarzweißen aus São Paulo unter Dach und Fach. Unbeschreiblicher Jubel brandete auf, und 450 Kilometer weiter verwandelte sich die Avenida Paulista in einen Hexenkessel.

Bezeichnenderweise steckte hinter der Dominanz von Vasco und Corinthians nicht nur der brasilianische Sommer, die Unlust der englischen Startruppe um „Spice Boy“ Beckham und die Krise der „Königlichen“ aus Spaniens Hauptstadt. Vielmehr gelang es den Teams aus Rio und São Paulo durch die Finanzspritzen ihrer US-amerikanischer Teilhaber, Stars zu halten und weitere zu verpflichten – keine Kleinigkeit angesichts der finanzkräftigen Konkurrenz aus Europa. Extra fürs Turnier nahm Vasco da Gama die Altstars Romário, Jorginho, Junior Baiano und Mauro Galvão unter Vertrag – seit Mitte 1998 steckte die Bank of America aus North Carolina rund 46 Millionen DM in den Traditionsclub.

Noch vier Millionen mehr stellte die texanische Investmentfirma Hicks, Muse, Tate and First (HMTF) im vergangenen April Corinthians zur „freienVerfügung“ – nicht ganz uneigennützig, denn die Firma ist auch im Sportmarketing aktiv und beherrscht die Sportabteilung des Fernsehsenders Bandeirantes, der in Brasilien die Exklusivrechte für die Übertragung der WM-Spiele hatte. Im Februar lanciert sie in Lateinamerika den Sender Pan-American Sports Network. Außerdem plant sie den Bau eines neuen Stadions für die frischgebackenen Weltmeister.

Auch hinter der hastig zusammengestrickten Erstausgabe der Club-WM steckte ökonomisches Kalkül. An Preisgeldern wurden an die acht Vereine, darunter die „Kontinentalmeister“ aus Marokko, Saudi-Arabien und Australien, 27,5 Millionen Dollar ausgeschüttet. Allein die Einnahmen aus TV-Rechten beliefen sich auf 60 Millionen. Alles Peanuts im Vergleich zu den weltweit 260 Milliarden Dollar, auf die eine Fifa-Studie den jährlichen Umsatz des Fußballgeschäfts beziffert. Den Löwenanteil dieses Betrags stecken transnationale Firmen in Vereinsmannschaften. FIFA-Chef Joseph Blatter möchte die Clubs stärker einbinden, denn die könnten der WM der Nationalmannschaften zur Bedrohung werden. Trotz des schon jetzt übervollen Terminkalenders und der fußballerisch eher dürftigen Bilanz der 14 Spiele in São Paulo und Rio wird bereits an eine Neuauflage und Erweiterung des Turniers gedacht.

Ob die Club-WM die Bewerbung Brasiliens für die Weltmeisterschaft 2006 befördert hat, ist umstritten. Mehr als das Chaos beim Kartenverkauf fürs Finale oder die – so David Beckham – „Scheiß-Badewannen“ im Maracaná schmerzt die brasilianischen Fans die Tatsache, dass sich ausgerechnet Pelé für Deutschland als Austragungsort ausgesprochen hat. So gesehen war es auch äußerst geschickt, dass die Münchner Bayern beim letzten Champions-League-Finale in weiser Voraussicht Manchester United den Vortritt ließen – den Part der arrogant-lustlosen Superstars aus Europa hätten sie kaum besser spielen können.