Arbeit am manageriellen Status

Sie sind, wie andere Frauen auch, für die Hausarbeit zuständig. Doch die „Gattinnen – Die Frauen der Elite“, die Tomke Böhnisch Rede und Antwort standen, glauben eine gesellschaftliche Anerkennung zu erfahren, die anderen Schichten versagt bleibt ■ Von Brigitte Werneburg

Entsprechend lässt sie sich herab, wenn sie in das Gespräch mit der Wissenschaftlerin einwilligt

Anna von Jahnson ist eine bemerkenswerte Versagerin. Sie kommt aus einer guten Kiste, entstammt also einer großbürgerlichen Familie. In der Schule bleibt sie dreimal sitzen, was sie offensichtlich nie weiter bekümmert hat. „Anstrengen? Nein, ich nicht.“ Sie will Schauspielerin werden, da reicht es, wie sie meint, wenn sie mit Ach und Krach die mittlere Reife schafft. Doch Anna von Jahnson bricht auch die Schauspielausbildung ab, schließlich hätte sie sich auch hier anstrengen müssen, eine Zumutung, mit der sie nichts anzufangen weiß. Sie jobbte dann als Sekretärin, bevor sie heiratete.

Freilich heiratet sie nicht irgendwen. Ihr Mann, mit dem sie drei Kinder hat, ist Vorstand einer Bank. Aus diesem Grund zählt Anna von Jahnson zu den zwanzig Frauen, die die Frankfurter Kulturanthropologin Tomke Böhnisch für ihre Untersuchung der Sozialstruktur hoher Wirtschaftskreise interviewte. Böhnisch stellt dabei erstmals die Ehefrauen der Manager ins Zentrum der Fragestellung. Denn diesen Frauen sind, so die These der Autorin, wesentliche Aufgaben für den Erhalt der sozialen Position ihrer Männer anvertraut – für die übrigens das Geld, das diese Männer verdienen, nur Voraussetzung ist. Zumal ein gut Teil dieser Frauen eigenes Vermögen besitzt, stammen sie doch selbst aus reichen, angesehenen Familien. Elf der zwanzig langen Interviews, die Böhnisch in der Zeit zwischen 1994 und 1995 führte, fanden schließlich Eingang in ihre Darstellung „Gattinnen – Die Frauen der Elite“.

Anna von Jahnson konnte dank ihrer Herkunft nie verlieren. Ihren Weg nach ganz unten könnte man sich leicht ausmalen, stammte sie etwa aus der Arbeiterschicht. Doch so ging sie immer zu Recht davon aus, dass ihr Herkommen das glamouröse Leben, das sie anstrebte, schon garantieren würde. Als Gattin umgibt sie sich jetzt mit SchauspielerInnen und KünstlerInnen, was ihr in ihren Kreisen ein exotisches Flair verleiht, da SchauspielerInnen und KünstlerInnen naturgemäß nicht zur guten Gesellschaft gehören, sondern höchstens so etwas wie deren Anhang bilden. Daher, sagt Anna von Jahnson, pendle sie „zwischen den Welten“.

Entsprechend lässt sie sich auch herab, wenn sie in das Gespräch mit der Wissenschaftlerin Böhnisch einwilligt, die ebenfalls nicht zu und nicht in ihren Kreisen zählt. Denn Anna von Jahnson sieht – und damit stimmt sie mit den anderen Interviewpartnerinnen von Tomke Böhnisch überein – eigentlich keinen Anlass, Auskunft über ihr Leben zu geben. Was eine wissenschaftliche Darstellung ihres Alltagslebens anbelangt, so erkennt sie, wie die anderen Frauen, darin wenig Nutzen, für sich selbst schon gar nicht. Die Frauen der Elite möchten nämlich Bekanntheit und Prominenz außerhalb ihrer Kreise strikt vermeiden. Einzig die Annahme der Doktorandin, sie könnten als Hausfrau und Mutter im Schatten ihres Mannes stehen, und andere solcher „falscher Vorstellungen“ brachten sie dazu, Böhnisch Rede und Antwort zu stehen.

Doch weil sich das Alltags- und Arbeitsleben der Frauen in Deutschland stark verändert hat, ist es gerade heute erklärungsbedürftig, warum Frauen wie Anna von Jahnson glauben, über besondere persönliche und gesellschaftliche Selbstständigkeit zu verfügen und dementsprechende Anerkennung zu erfahren. Denn in postfeministischen Zeiten von Karrierefrauen wird das Leben als Hausfrau und Mutter, als Gastgeberin und ehrenamtlich karitativ Tätige plötzlich in einem anderen, durchaus fragwürdigen Sinne auffällig.

Freilich ist bei den Damen der Gesellschaft keine Unsicherheit zu erkennen. Man trifft im Gegenteil auf ein Klassenbewusstsein alter Machart, an das man schon gar nicht mehr glauben mochte – und dazu gehört auch die Ehe alter Machart. Von einer ideologischen Auflösung der Gesellschaft in lebensweltliche Milieus ist hier nichts zu spüren, und unterschiedliche, möglicherweise generationsspezifische Stile, die den Begriff Lebensentwurf rechtfertigen könnten, sind unbekannt.

Um eine andere Untersuchung anzuführen, nämlich Ulrich Becks postmoderne Auflösung der Klassengesellschaft in „Eigenes Leben“: Auch wenn das eigene Leben nur mit geringer Wahrscheinlichkeit gesellschaftlich um sich gegriffen haben mag – es hat zumindest den intellektuell mildtätigen Effekt einer Selbstdistanzierung und Selbstrelativierung der Befragten gezeitigt, die der von Böhnisch befragten Elite vollkommen fehlt. Die Upper Class denkt sich noch immer als essenziell. Hier greifen die klassentheoretisch motivierten Untersuchungen des französischen Soziologen Pierre Bourdieu und des englischen Sozialhistorikers E. P. Thompson tatsächlich, auf die sich Tomke Böhnisch bezieht, um sie mit der Geschlechterfrage in Zusammenhang zu bringen.

Das essenzielle Denken, also die Vorstellung der Elite von einer gewissermaßen naturbelassenen Gesellschaft, erweist sich für sie als ertragreich. Sowenig ihre Angehörigen einen Legitimationsdruck nach außen verspüren, so wenig verspüren sie ihn im Binnenraum. Die Ehe alter Machart erweist sich als weiterhin erfolgreiches, also haltbares Modell: gerade weil sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als ein Feld erweist, auf dem nicht nur Geschlechterverhältnisse, sondern auch Klassenverhältnisse reproduziert werden. Es sind die Klassenvorteile des Geldes, der getrennten Lebens- und Aufgabenbereiche, des hohen sozialenStatus, der ein hohes Selbstbild und einen gelassenen, teils respektvoll desinteressierten Umgang der Eheleute ermöglicht.

So ist auch die sorglose Distanziertheit zu erklären, mit der die Frauen der Elite die Karrieren ihrer Männer betrachten. Zwar beklagt sich eine der befragten Frauen über ihren jüngeren Sohn, der unverhohlen seine Privilegien zur Schau stellt, indem er sich im Auto seines Vaters in die Schule chauffieren lässt. Gleichzeitig wird in ihren Äußerungen zu ihrem Mann ohne weiteres klar, dass die Klasse von Männern, der er angehört – metaphorisch gesprochen – schon immer im Auto des Vaters zur Karriere gefahren wurde. Sie greifen auf Beziehungen zurück, die schon lange vor ihrer Berufslaufbahn bestanden. Sie brauchen informelle Kontakte nicht mühsam zu knüpfen, sondern haben sie schon, etwa über das Internat, das der Chefredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gerne zu Gesprächskreisen aufsucht. Das, womit sich andere für Spitzenposten qualifizieren, herausragende Leistungen in Studium und Beruf, darf, muss aber nicht sein.

Im Gegensatz zur entspannten Sichtweise auf ihre Gatten, fällt in den Gesprächen mit den Frauen der Elite auf, dass sie bei ihren Söhnen verblüffenderweise für mittelständisches Leistungsstreben plädieren. Wenigstens im Gespräch über die Kinder wird ein Bruch im Selbstbild deutlich, und dabei scheint es gravierend, dass die Gattinnen über ihre Töchter nicht sprechen mögen. Müssen die Töchter die Tradition guter, weil distanzierter Ehen fortführen? Oder sollen, dürfen, wollen gar sie Karriere machen wie die Söhne? Und was bedeutete dies für die Karrieren der Söhne?

Auch wenn Böhnisch in ihrer Studie nicht weiter auf diese in den Gesprächen implizit aufgeworfenen Fragen eingeht: Am Verhalten der Töchter wird sich, modisch gesprochen, die Nachhaltigkeit des großbürgerlichen Familienmodells, das auch ein Karrieremodell für den Mann miteinbegreift, erweisen müssen. Denn das schält sich in den Interviews nun tatsächlich heraus – die Entlastung im Bereich des Haushalts, der Kinderziehung, der Geselligkeit und der philanthropischen Verpflichtungen, die der Manager durch seine Gattin erfährt, ist groß genug, um für die Sicherung seiner beruflichen und sozialen Stellung unabdingbar zu sein. Um den Status des Haushalts einer Führungskraft zu gewährleisten, ist eine Lebensweise unerlässlich, an deren Herstellung die Gattin maßgeblich beteiligt ist. So kann ein Vorstandsvorsitzender zur Aufrechterhaltung seiner geschäftlichen Beziehungen keine gesellschaftlichen Kontakte pflegen, etwa Bälle und Konzerte besuchen oder große Einladungen geben, wenn er keine Ehefrau vorzuweisen hat. Auch wenn eine Haushälterin die Einladung genauso perfekt oder gar perfekter organisieren könnte, gerade die herrschende Klasse beugt sich bislang noch der ehernen Konvention von Ehe und Familie. Daher dürfen sich die Frauen der Elite ihres Verdienstes um ihre gesellschaftlichen Position sicher sein. Nicht zuletzt deshalb gibt es, so darf man hinzufügen, kaum offen schwule oder weibliche Vorstandsvorsitzende.

Tomke Böhnisch: „Gattinnen – Die Frauen der Elite“. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999, 264 S., 48 DM