Diktatoren-Ziehkind ärgert Armee

■ Guatemalas rechter Präsident Portillo stellt ein Kabinett vor, das Linke wie Rechte überrascht: Menschenrechtler, Ex-Guerilleros und ein kleiner Oberst mit großen Folgen

San Salvador (taz) – Das hatte Alfonso Portillo keiner zugetraut: Der 48-jährige Anwalt galt bislang als machtgeiler Opportunist, der sich im Windschatten des ehemaligen Diktators Efrain Rios Montt (1982 bis 1983) ins Präsidentenamt geschlichen hat. Am Freitag wurde Portillo vereidigt und stellte dabei ein Kabinett vor, das die Linke wie die Rechte überrascht. Der Mann, von dem die Rückkehr in die dunklen Zeiten der Todesschwadronen erwartet worden war, ernannte Menschenrechtler und Ex-Guerilleros zu Ministern und Staatssekretären und schickte den gesamten Generalstab der Armee in den Ruhestand. Hätte ein linker Präsident dies gewagt, wäre ein Staatsstreich die wahrscheinlichste Antwort. Aber Portillo kam als Kandidat der ultrarechten „Republikanisch-guatemaltekischen Front“ (FRG) ins Amt.

Das überraschendste Gesicht im neuen Kabinett ist das von Otilia Lux de Coti. Die Maya-Indigena war als Mitglied der Wahrheitskommission bekannt geworden, die die Verbrechen des guatemaltekischen Bürgerkriegs (1962 bis 1996) aufgearbeitet hatte. Bei der Übergabe des Abschlussberichts im Februar vergangenen Jahres bezichtigte sie Rios Montt in deutlichen Worten des Völkermords an den Maya. Jetzt dient sie einem Präsidenten als Ministerin für Kultur und Sport, dessen Parteivorsitzender eben dieser Rios Montt ist.

Staatssekretär für die Umsetzung des Friedensvertrags wurde Miguel Angel Reyes. Der hat das Abkommen selbst mit ausgehandelt. Allerdings: für die Guerilla. Anfang der Neunzigerjahre war Reyes Mitglied der politisch-diplomatischen Kommission der „National-revolutionären Einheit Guatemalas“ (URNG). Zuletzt hatte er sich als Menschenrechtsaktivist einen Namen gemacht.

Was nur verleitet Menschen wie Lux und Reyes, sich in den Dienst eines Rechtspopulisten zu stellen? Lux sagt, als Ministerin sei sie dem Präsidenten verantwortlich und habe mit der FRG und dem Völkermörder Rios Montt nichts zu tun. Sie wolle „Spielräume für Indigenas und für Frauen nutzen“. Portillo kann sie zu der internationalen Anerkennung verhelfen, die ihm zunächst verweigert wurde. Wegen seiner blutigen Vergangenheit (er hat vor 17 Jahren zwei unbewaffnete Studenten erschossen) und wegen der noch blutigeren der FRG halten die USA und europäische Regierungen Distanz. Zur Vereidigung schickten sie nur untergeordnete Delegationen.

Das unbekannteste Gesicht im neuen Kabinett ist das des Verteidigungsministers. Und es ist gleichzeitig das heikelste. Denn mit der Ernennung des blassen Karrieresoldaten Oberst Juan de Dios Estrada hat Portillo die Armeespitze enthauptet. Nach dem guatemaltekischen Militärgesetz kann ein General keinen Soldaten niedrigeren Ranges als Vorgesetzten bekommt. Alle 18 Mitglieder des Generalstabs müssen sich deshalb automatisch in den Ruhestand verabschieden.

Und Portillo will sogar noch weiter gehen. Er kündigte an, Oberst Estrada sei nur so lange Verteidigungsminister, bis das Gesetz einen Zivilisten in diesem Amt erlaube. Schon in der ersten Parlamentssitzung am Freitag reichte die FRG-Fraktion einen entsprechenden Eilantrag ein. Es kam fast zu einer Schlägerei. Die Militärs, das ist sicher, sind ziemlich wütend. Toni Keppeler