Herr Hefele kriegt zwei Minuten

Albert Hefele

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht – ich habe zu Beginn des neuen Millenniums schon das Gefühl, mich in einem sanften Wahnklima zu bewegen. So, als hätten nicht – wie ursprünglich vermutet – die Chips und Leitungen alter Computer den Geist aufgegeben, sondern so, als würden die versammelten Aminosäuren und Neuronenknoten aufrecht gehender Zweibeiner einen kräftigen Stüber erhalten haben und seien deswegen leicht aus der Kurve getragen worden. Gesamtgesellschaftlich.

■ Es bröselt und bröckelt im Gebälk der sportlichen Oberstübchen

Dabei will ich nicht im Geringsten über die täglich sich toppenden und stapelnden Parteispendenaffären lamentieren, noch andere Personen des öffentlichen Lebens, wie den offensichtlich immer wahniger werdenden Prügelprinzen (übrigens ein selten schöner Titel!) August mir zum Zeugen nehmen, für den Verfall. Dies ist schließlich eine Sportkolumne und darum müssen aktuelle Figuren des Sportes herhalten.

Beispiel 1: Mühlegg Johann, das unbeugsame Loipentier. Wie der nun spanisierte Allgäuer im fernen Moskau über die Ziellinie rauschte und dortselbst mit weit offenem Maul ein feuriges „Viva España!“ in die kalte Winterluft schmetterte ... das hatte schon was ziemlich Beklopptes. Der ganze irre Mühlegg, eine einzige Genugtuung. Und für einen Moment wartete man darauf, dass er etwas völlig Schrulliges und Verrücktes tun würde, Behle und Zipfel und Konsorten zum Hohne. Eine Wasserflasche, mit der Aufschrift „Heilwasser“ für alle sichtbar aus dem Rucksack ziehen und ansetzen und in einem Zug austrinken – beispielsweise oder ein magisches Zeichen in den Schnee pinkeln. Was in der Art. Er tat es nicht, aber es fehlte nicht viel und es kommt noch. Wetten?

Wetten möchte ich auch auf eine Verurteilung von Beispiel 2: Baumann Dieter. Dem ich in der letzten Kolumne schon ganz und gar unwiderlegbar nachgewiesen habe, dass er nicht koscher ist. Er gibt aber keine Ruhe und führt sich stündlich blöder auf. Setzt gar Kopfgeldprämien aus und führt dubiose Gestalten als Drahtzieher und Zahnpasta-Attentäter ein. „Namen dürfen nicht genannt werden“, und: „Es handelt sich um einen ehemaligen DDR-Trainer, der seit der Wende einen wichtigen Posten im deutschen Sport bekleidet ...“ Das ist so ähnlich, als würde in einem Krimi fünf Minuten vor Schluss noch ein potenzieller Mörder auftauchen, der es dann auch tatsächlich gewesen ist.

Dito Beispiel 3: Maradona Diego. In der neuesten Episode des Dramas „Maradonas Abstieg“ spielt ebenfalls ein Dunkelmann eine wichtige Rolle. In diesem Falle als Drogengeber und Verderber. Die Polizei ermittelt; Dieguito kann jedenfalls nix dafür, und Fusselbart Castro sieht das offensichtlich auch so und hat ihm einen Drogenentzugsurlaub auf seiner Zuckerrohrinsel angeboten. Wie gesagt: Irgendwie spinnen zurzeit alle, ganz gewaltig.

Natürlich auch unser 4. Fall: Matthäus Lothar. Ebenfalls in einen extrem langatmigen Mehrteiler verstrickt. „Lothar goes New Jersey.“ Lehrbeispiel für all jene, die lernen möchten, wie man Doppelbotschaften aussendet, besser: in Doppelbotschaften badet. Hie: Lothar mit dem Trikot der MetroStars, Wohnungssuche und Anmeldung der Lebensgefährtin an der Schauspielschule (übrigens: Wo und wie soll das enden?). Andererseits will unser Held unbedingt noch ein Weilchen in München bleiben – um, obwohl ihn keiner drum gebeten hat – gegen Madrid auszuhelfen, bzw. ist nun beleidigt, weil die New Yorker Manager Stillitano aufs Nebengleis gestellt haben, ohne ihn – Lothar – zu fragen! Deswegen setzt sich unser Held – selbst – eine Frist, um zu entscheiden, was nun wird. Verträge? Nicht für Lothar – immerhin ist ein Orkan nach ihm benannt worden.

Sie sehen: Es geht rund, und das sind noch lange nicht alle Zeugnisse für das Bröseln und Bröckeln im Gebälk der versammelten Oberstübchen. Glauben Sie nicht? Ich hätte da noch einen Tennisspieler und eine Eiskunstläuferin und ... (langsam ausblenden).