„Lebenslänglich“ für Weinrich

Nach vierjähriger Prozessdauer spricht das Berliner Landgericht den „Carlos“-Kumpan für schuldig am Anschlag auf das Maison de France. Revision eingelegt ■ Von Markus Wierz

Berlin (taz/dpa/AP) – „Lebenslange Haft“ lautet das Urteil gegen den Topterroristen Johannes Weinrich wegen des Bombenanschlags auf das Berliner Maison de France im August 1983. Der 52-Jährige habe den Anschlag auf das französische Kulturzentrum geplant, organisiert und ausführen lassen, hieß es in der Urteilsbegründung des Berliner Landgerichts. Aber selbst nach 185 Verhandlungstagen ist damit das Schicksal eines der „erfolgreichsten“ deutschen Terroristen noch nicht besiegelt: Weinrichs Anwälte legten Revision gegen das Urteil ein. Die Geheimdienstunterlagen, die in der Anklage eine tragende Rolle gespielt hätten, hätten nicht zugelassen werden dürfen, sagte Verteidiger Rainer Elfferding.

Der Terroranschlag auf dem Berliner Kurfürstendamm hatte einen Mann getötet und 23 Menschen meist schwer verletzt. Der Schuldspruch für Weinrich lautete auf Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Mord und fünffachen versuchten Mord. Der mit angeklagte frühere syrische Diplomat Nabil Shritah wurde wegen Beihilfe zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er hatte gestanden, in der Ostberliner Botschaft Syriens zwischengelagerten Sprengstoff an Weinrich ausgehändigt zu haben.

Das Gericht stellte bei Weinrich auch besondere Schwere der Schuld fest. Er hat also keine Aussicht, nach 15 Jahren auf freien Fuß gesetzt zu werden. „Wer wie Herr Weinrich in einem öffentlichen Gebäude in einer Einkaufsstraße zur Hauptgeschäftszeit Sprengstoff von jener Stärke zünden lässt, der kalkuliert ein Blutbad und den Tod zahlreicher Menschen ein“, begründete der Vorsitzende Richter Hans Boß das Urteil. Boß lastete Weinrich politische Motive, Zorn und Ungeduld an. Weinrich habe den Weg der Gewalt eingeschlagen. „Wir werden dem Terroristen Weinrich nicht diesen politischen Hintergrund nehmen.“

Boß kritisierte die Blockadetaktik der Verteidigung mit dem Hinweis, hier sei die Chance vertan worden, diese – von Terrorismus geprägte – Epoche aufzuarbeiten. „Der Mensch Weinrich ist uns in vier Jahren Prozessdauer in merkwürdiger Weise fremd geblieben“, so Boß. Weinrich galt als „rechte Hand“ des Topterroristen „Carlos“, der 1997 in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Carlos-Gruppe hatte Anfang der 80er-Jahre einen „Privatkrieg“ gegen Frankreich geführt. Ziel des Anschlags sei es gewesen, Komplizen aus französischer Haft freizupressen, so Boß.

Das Gericht stützte sein Urteil auf vier Sätze von Beweismitteln: die Aussagen ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, ein Bekennerschreiben von „Carlos“, einen Brief Weinrichs und die Aussage des Mitangeklagten Shritah. Die Richter folgten in ihrem Urteil im wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Weinrich-Verteidiger Stefan König, den der Richterspruch nach eigenen Worten kaum überraschte, kündigte gegenüber der taz an, „alle der Verteidigung zur Verfügung stehenden gewaltfreien Mittel einzusetzen, um gegen das Urteil vorzugehen.“ Inzwischen bereitet Chefankläger Detlev Mehlis schon den nächsten Prozess gegen Weinrich vor: Der „Salonterrorist“ sei auch in die Sprengstoffanschläge auf ein israelisches Passagierflugzeug 1975 auf dem Pariser Flughafen Orly und den Sender Radio Free Europe 1981 sowie das Attentat auf den saudischen Botschafter 1983 in Athen verstrickt, so Mehlis. Bis zum Frühjahr will der Oberstaatsanwalt die Anklageschrift vorlegen.