Bulmahn: Bafög für alle? Wollte ich nie!

Was ihr Kanzler sagt, ist für die elastische Bildungsministerin Gesetz. Sang- und klanglos verabschieden sich die Sozialdemokraten von ihrem Anspruch auf eine chancengleiche Ausbildungsförderung ■ Von Isabelle Siemes

Berlin (taz) – Bildungsministerin Edelgard Bulmahn war sich bis vergangenen Freitag ihrer Bafög-Reform sicher. Dann kippte Bundeskanzler Gerhard Schröder das Projekt, in dem jedem Studierenden ein Sockelbetrag versprochen war, der sich aus Kindergeld und Steuerfreibeträgen zusammensetzen sollte. Gestern nun schwenkte auch Bulmahn um. Sie gab dem Kanzler Recht. „Es geht juristisch nicht, allein Studierenden das Geld direkt auszuzahlen und anderen Jugendlichen nicht“, sagte Bulmahn, nachdem sie genau dieses Konzept monatelang als das ihre bezeichnet hatte.

Ihr Plan einer grundsätzlichen Umgestaltung der Ausbildungsförderung, so mogelte sich die Ministerin durch, sei nicht gescheitert. Nein, Schröder werde sie künftig dem „Finanzminister gegenüber stärken“.

Auf Deutsch heißt das: Der Kreis der nur noch 14 Prozent Bezugsberechtigten wird nicht etwa über einen elternunabhängigen Anteil des Bafög drastisch erweitert. Bulmahn versucht vielmehr, die Zahl der Bafög-Empfänger sukzessive über die ständige Erweiterung der Elternfreibeträge zu erhöhen. Bildungslobbyisten von der Gewerkschaft GEW über die Studentenwerke, die Rektorenkonferenz und die Studierenden reagierten enttäuscht auf die Absage (siehe Interview).

Die Ministerin freute sich dennoch, dass Kanzler und SPD-Präsidium sie „bei der Verbesserung des Bafögs unterstützen“ wollen. „Wir müssen Chancengleichheit wiederherstellen“, repetierte Bulmahn gebetsmühlenhaft. Doch außer dem Versprechen, dass mehr Geld „in beträchtlicher Größenordung“ für bedürftige Studierende bereitgestellt werden solle, konnte sie wenig sagen.

Nicht einmal die Höhe der Aufstockung ihres Budgets für die Ausbildungsförderung wollte oder konnte die Ministerin nennen. Das Ziel der jetzt von der Bundesregierung eingebrachten Bafög-Novelle sei, den „Kreis der Geförderten zu erhöhen“ und den Bafög-Empfängern mehr Geld für ihren Lebensbedarf zukommen zu lassen.

Bulmahn wandte sich gleichzeitig gegen das vom bündnisgrünen Koalitionspartner in die Diskussion gebrachte Modell einer „Bildungsbank“. Das sei das Modell ihres Amtsvorgängers Jürgen Rüttgers. Der heutige Spitzenkandidat der NRW-CDU hatte seinerzeit eine Bafög-Verzinsung einführen wollen. Bulmahn sagte, dieses Modell könne keine Chancengleichheit herstellen. „Mit der SPD ist das nicht zu machen.“

Angesichts der Mini-Reform, die Bildungsministerin Bulmahn anbot, hatte NRW-Minsterpräsident Wolfgang Clement keine Mühe, ihr die Unterstützung der SPD-geführten Bundesländer zuzusagen. Auch Bremens Bildungs- und Wissenschaftssenator Willi Lemke zeigte sich zuversichtlich. Der ehemalige Fußballmanager trat gestern seinen Job als Vorsitzender der Kultusminister an und wollte folglich nicht mit Bosartigkeiten auffallen. Die Diskussion um das Bafög werde noch in diesem Jahr zu einem Ergebnis kommen, sagte er sybillinisch. „Ich muss jedoch einschränkend sagen: Man kann solche Reformvorhaben nur dann durchsetzen, wenn das entsprechende Geld vorhanden ist.“

Und weil sie offenbar noch nicht genug Enttäuschung verbreitet hatte, ließ Bulmahn noch eine andere Hoffnung fahren. Auf Anfrage erklärte sie, ein grundsätzliches Verbot von Studiengebühren sei nicht zu erwarten. Sie versprach lediglich, dass das „grundständige Studium“ gebührenfrei bleiben werde.