„Es war zu heftig“

■ Die merkwürdigen Gedächtnislücken einer Politesse der Davidwache

Amtsrichter Michael Kaut ist ein geduldiger Jurist. Dass angeklagte Polizisten gern mal zur Verteidigung lügen, ist Kaut aus Verfahren bekannt. Doch dass sich Polizisten als Zeugen gegen Kollegen plötzlich an prägnante Vorgänge gar nicht mehr erinnern, lässt auch bei ihm den Adrinalinspiegel sichtbar ansteigen. „Merkwürdig, was einige Leute erinnern und andere vergessen“, fauchte er gestern bei der Vernehmung die Politesse Doris S. von der Davidwache an.

In dem Prozess geht es um die Polizisten Dieter F., Udo W. und Thomas I. Den drei Beamten der Davidwache wird zur Last gelegt, am 4. Oktober 1997 den Freiherrn Bernhard von der R. festgenommen und dann misshandelt zu haben (taz berichtete). Auslöser war eine Verkehrsbagatelle. Weil die „Angestellte im Außendienst“ dem Freiherrn ein Knöllchen verpassen wollte, soll dieser mit seinem BMW zurückgesetzt und sie beinahe „umgefahren“ haben.

An Einzelheiten des Geschehens auf der Wache nach der Festnahme des Adeligen kann sich Doris S. angeblich nicht mehr erinnern. „Plötzlich lag er mit dem Oberkörper auf dem Verwahrbuchtisch, die Hände auf dem Rücken.“ Dann sei er zwei- bis dreimal mit dem Oberkörper runtergedrückt worden. Wer ihn gedrückt habe? Ob es die Angeklagten waren? „Weiß ich nicht mehr“, so die stereotype Antwort. Außerdem habe sie sich abgewandt, wieso, wisse sie nicht mehr.

Gegenüber dem Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) hatte Doris S. noch die Gründe für das Umdrehen preisgegeben. „Ich konnte das Ganze nicht mehr länger mit ansehen.“ Sie habe weggeguckt, um nicht später gegen Kollegen aussagen zu müssen: „Ich fand die ganze Situation zu heftig.“

Der Prozess wird fortgesetzt. ms