„We are family“ mit E als Vorsilbe

■ Endlich mal ein Magazin für die neue Wirtschaft: „Econy“ geht wieder an den Start

Erfahrungen hat das ewig aufstrebende, ewig darbende Heft Econy schon zuhauf gesammelt. Nachdem der Spiegel-Verlag sich nach nur zwei Ausgaben vom viel gelobten, doch unrentablen Objekt getrennt hatte, machte das umtriebige Team um Gabriele Fischer in Eigenregie weiter – bis der Mainzer Verlag für Wirtschaftmedien VFW (Oldtimer Markt, Fördern und Heben) Konzept und Titel von Econy einkaufte und sich, einmalig in der deutschen Pressegeschichte, im Juli 1999 von der zugehörigen Redaktion trennte.

Fischer & Co. operieren als brand eins weiter, der Verlag hatte nach einem Vierteljahr die neue Besatzung für sein herrenloses Objekt beisammen. „Wieder eine Erfahrung mehr – diesmal: Zeitschleuse“, schreibt kryptisch Georgia Tornow im Editorial der neuen Ausgabe mit neuer Mannschaft. Damit meint sie das heiße Eisen Y2K, die Parteispendenaffäre, „spannende Start-ups“, unternehmerische „Super-Novae“ und überhaupt, denn alles ist Wirtschaft, Kinder. Ein schickes Loft in Berlins neuer Mitte, mit Ziegelwänden, Parkettboden und sechs Redakteuren, soll der Kreißsaal des reinkarnierenden Wirtschaftsmagazins sein. Kein einfaches Erbe, das die ehemalige taz-Chefredakteurin und Gattin von Ulrich „Akte“ Meyer da antritt, auch wenn sie sich über das „ungeheuer produktive Redaktionsklima“ freut: Der Verkauf lag zuletzt mit knapp 20.000 Exemplaren zwar weit vor brand eins, aber Welten hinter den Erwartungen.

Welchen Markt gibt es für ein neun Mark teures Medium für den neuen Markt? Und was ist das überhaupt, die neue Wirtschaft, für die Econy das Magazin sein will? „Auf dem Weg, die Wirtschaft insgesamt zu verdoppeln“, sind laut Georgia Tornow „das E als Vorsilbe“, flexible Gründer, dynamische Macher, flache Hierarchien, keine Philosophien mehr: Visionen. Nicht das bange Stieren auf Bilanzen, sondern der Griff nach den Sternen – zum Beispiel nach dem Mars, dem Econy eine Titelgeschichte gewidmet hat. Dass die Amerikaner Sonden für 400 Millionen Mark auf den Roten Planeten geschossen und nie wieder was von den undankbaren Dingern gehört haben, gehört für Econy auch zur neuen Wirtschaft – Überschrift: „Mars macht mobil“. Schließlich geht es um „Menschheitsträume“ und „Geschäfte aus Leidenschaft“. Eine Leidenschaft, die vor allem die Zulieferer der Raumfahrtindustrie befeuern dürfte, deren Sorge um das globale Wohl dann auch seitenweise Platz eingeräumt wird.

Im Interview beklagt sich Wolfgang Joop, die meisten Leute verstünden einfach nicht den „kreativen Charakter des Geldes“. Charakter? „Der Charakter liegt darin, dass es mich nicht daran hindert, es loslassen zu können“, plappert unbeschwert die blonde Identifikationsfigur: Im Falle einer Pleite könne er ja auch „am Montmartre das Pflaster bemalen“ oder „jemandem ein Gedicht schreiben“. Neue Wirtschaft, quo vadis?

Dass das Heft über weite Strecken den Charme einer Sparkassen-Broschüre zur Vermögensbildung ausstrahlt, liegt wohl am preisgekrönten Layout und ist nicht der neuen Redaktion zu schulden. Dass indes Redaktionelles mit Eigenwerbung verquickt wird, liegt in der Natur der Sache: Auf zwei Doppelseiten („We are family“) wird der innovative Herr Adamczak mit seinem Unternhemen vorgestellt, ein paar Seiten weiter wirbt er für Econy-Abonnements – eine große Familie eben.

Arno Frank