„1.100 Mark monatlich für alle Studierenden“

Der Grüne Matthias Berninger hat einen neuen Bafög-Vorschlag parat. Die Kritik der Bildungsministerin am seinem Bankmodell weist er zurück: „Erst bilden, dann reden“

taz: Haben Sie eigentlich Bafög gekriegt?

Matthias Berninger: Ja, ich habe das Siechtum des Bafög am eigenen Leib verspürt. Es war ziemlich stickig und voll im Bafög-Amt. Der bürokratische Kontrollweg hat alle genervt. Und das Absurde war, je näher ich zu meinem Examen kam, desto weniger Bafög habe ich bekommen.

Rot-Grün hat versprochen, der Misere abzuhelfen. Die Ausbildungsförderung sollten alle Studierenden bekommen. Warum ist daraus nichts geworden?

Die SPD hat sich auf das so genannte Sockelmodell versteift. Die Bildungsministerin hat keine alternativen Konzepte zugelassen. Mit der Folge, dass sie mit ihrem Vorschlag abgeblitzt ist und jetzt blank dasteht.

Bildungsministerin Bulmahn lehnt die Zusammenfassung von Kindergeld und Steuerfreibeträgen zu einem Grundförderungssockel aus juristischen Gründen ab. Ist das stichhaltig?

Die Ministerin vergisst zu erklären, warum sie in den Wochen davor die Einwände, die es immer gab, nicht gestört haben. Es gibt bei jeder Strukturreform verfassungsrechtliche Bedenken. Die Frage ist, ob die Politik den Mut hat, Reformen durchzusetzen.

Was wollen die Grünen gegen das Siechtum des Bafögs unternehmen?

Es liegt ein Bruch des Koalitionsvertrags vor. Der sagt, wir wollen eine Bafög-Strukturreform. Also mehr Autonomie für die Studierenden, Elternunabhängigkeit und Gerechtigkeit bei der Mittelvergabe. Die Bündnisgrünen dürfen sich mit einer Reparaturnovelle des Bafögs nicht einfach zufrieden geben.

Welches andere Modell wäre in Ihren Augen denkbar?

Ich bin für elternunabhängiges Bafög. Jeder Studi soll Anspruch auf 1.100 Mark Ausbildungsgeld monatlich haben. Kinder aus einkommensschwachen Familien muss ein hoher Zuschussanteil gewährt werden, andere werden es als Darlehen erhalten.

Wer soll das bezahlen?

Die Tranfers, die heute an die Eltern wohlhabender Kinder gehen, sollen nicht mehr ungehemmt fließen können. Die zweite Finanzquelle ist unser Refinanzierungsvorschlag: Ehemals Geförderte müssen, wenn sie gut verdienen, ihr Bafög zurückbezahlen. Als dritte Quelle wünschen wir uns, dass ein Teil des Bafög-Darlehens über die Ausgleichsbank finanziert wird. Frau Bulmahns Behauptung, das wäre Rüttgers’ Zins-Bafög, ist übrigens falsch. Auch für eine Bildungsministerin gilt: Erst bilden, dann reden.

Wann können die Studis mit einem neuen Bafög rechnen?

Wir müssen in diesem Jahr eine Reform auf die Beine stellen – ansonsten können wir uns unser Wahlversprechen an den Hut stecken. Interview: Isabelle Siemes