■ Roland Koch gefällt sich in der Rolle des Aufklärers und Gewissens der CDU. Immer wieder verkündet der hessische Ministerpräsident, er werde ohne Rücksicht auf Freund oder Feind in den Reihen der Partei für Ordnung sorgen. Sein erstes Opfer: Manfred Kanther
: Der Krisenmanager genießt die Krise

Kaum ist er weg vor der einen Kamera, ist er auf dem nächsten Fernsehkanal zu sehen: Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ist in seinem Element. Er lacht, lächelt, scherzt. Manchmal guckt er auch betreten und sagt, dass er sich „auch was Schöneres vorstellen“ könne. Vertrauen, Vertrauensbruch, Aufklärung gehen ihm in immer neuen Varianten von den Lippen. Koch, der im Wahlkampf für die knappe 3.000-Stimmen-Mehrheit unermüdlich durchs Land tingelte und nach seinem unerwarteten Sieg noch wochenlang so hochtourig drehte, als sei er nicht schon Ministerpräsident, ist ein unermüdlicher Rollenspieler. Während der von ihm maßgeblich mit angezettelten Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die ihm zum Wahlsieg verhalf, war er Biedermann und Brandstifter zugleich. Während die Basis noch emsig sammelte, milderte Koch schon wieder ab und predigte Integration.

In der Rolle des Aufklärers im eigenen Parteiensumpf verkündete er am Dienstag stolz, die Hessen-CDU und die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young hätten nun Zugang zu dem Konto bei der UBS/Schweizer Bankgesellschaft in Zürich. Ein schöner Erfolg, denn man habe bisher ja nur zwei Tage Zeit gehabt. Zwei Tage Zeit?

Wie perfekt die Koch-Factory zur Herstellung von Öffentlichkeit im Hessischen Landtag läuft, hatte sie erst letzte Woche bewiesen, als am Donnerstagnachmittag bekannt wurde, dass der Spiegel die Vermächtnislüge enthüllen werde. Krisensitzung am Abend.

Schon am nächsten Nachmittag legte Prinz Casimir Johannes von Sayn-Wittgenstein in einem Zeitungsinterview sein Geständnis ab, ehe Roland Koch dann abends mit Manfred Kanther zur Presseerklärung schritt. Mit Stentorstimme verkündete er, dass er nun unnachgiebig sei, dass er ohne Rücksicht auf Freund oder Feind für Ordnung sorgen werde. Und verwirrte gleichzeitig, weil er reklamierte, bereits 48 und nicht, entgegen der Spiegel-Darstellung, erst seit 24 Stunden von den Schweizer Schwarzkonten zu wissen.

Seither wird in Hessen spekuliert, ob Koch, der sich selbst einen „ehrlichen Mann“ nennt, das auch wirklich ist. Wusste er, wusste er nicht? Die Wiesbadener Zentrale der hessischen CDU ist gestern nach Informationen des Spiegel von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Gleichzeitig seien die Ermittler beim früheren Unionsberater Horst Weyrauch und bei Ex-Landesschatzmeister Prinz Wittgenstein aufgetaucht.

Warum eigentlich wusste Koch nicht, woher die vier Millionen Mark für seinen Wahlkampf kamen? Dass die Kassen der Landespartei leer waren, hat er jedenfalls nicht übersehen. Seit zehn Jahren war er im Vorstand. Eine seiner ersten Amtshandlungen als neu gewählter CDU-Vorsitzender war es 1998, die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen. Wenn Prinz Wittgenstein der Partei damals nicht so selbst- und zinslos einen Millionenkredit angeboten hätte, dann, sagt Koch heute, hätte man diesen eben bei einer Bank aufnehmen müssen.

Schwer vorstellbar, dass ihn sein Vorgänger und Ziehvater Manfred Kanther nicht wenigstens ein bisschen über die Notgroschen in der Schweiz eingeweiht haben soll. Schwer vorstellbar auch, dass niemand der Koch-Getreuen sich oder anderen Fragen stellte. Auch nicht der Mann hinter ihm, der als Hardliner bekannte Chef der Staatskanzlei und Koch-Intimus, Franz-Josef Jung, Jurist wie Koch und Kanther. Er war von 1987 bis 1991 Generalsekretär der CDU Hessen und damit auch mitverantwortlich für deren prekäre finanzielle Situation.

Inzwischen hat Koch seine Partei fest im Griff. Jeder hat seinen Vers gelernt: Niemand wusste etwas, alle sind enttäuscht. Kein Rücktritt der Regierung, keine Neuwahlen. Gewonnen habe die CDU-Koalition nicht wegen des illegalen Geldes, sondern wegen ihrer guten Sachpolitik. Außerdem, kleiner Seitenhieb, habe die SPD nicht vier, sondern sechs Millionen ausgegeben und trotzdem verloren. Heide Platen,

Frankfurt/Main