Unser Gesetz will, dass wir tanzen

■ Die Geschichten der ersten Nationen: Das Indianer-Filmfest „Rauchzeichen und Schmauchspuren“ im Ethnologischen Museum

Manchmal verlöschen die Filmbilder fast im Licht der Sonne, das sich auf den Wellen des Pazifiks spiegelt. In „The Land of the War Canoes“ prägt die zerklüftete Küste im Nordwesten Kanadas die Geschichte. Verliebte flüchten auf Inseln, die Boote der Verfolger zerschellen an den Klippen, Bär und Donnervogel tanzen im Takt der Ruderschläge. Die Bilder des 1914 von Edward Sheriff Curtis bei den Kwakiutl gedrehten Films flackern wie der Rauch und das Feuer, an dem Hexer und andere Helden ihre Geister beschwören.

Ähnlich wie die Sammler des 19. Jahrhunderts, denen das Ethnologische Museum Berlin (wie sich das Völkerkundemuseum seit diesem Jahr nennt) seine Schätze verdankt, war Curtis vom Verschwinden der indianischen Rassen überzeugt und fühlte sich berufen, das Schwindende festzuhalten. Bekannt wurde er mit über 2000 Bildern der „North American Indians“, die er bis 1930 veröffentlichte. Sein Plan allerdings, dies Unternehmen durch einen spektakulären Film zu finanzieren, scheiterte. „In the Land of the War Canoes“ floppte.

Der Film ist nicht nur der älteste der Reihe „Rauchzeichen & Schmauchspuren“, sondern lässt zugleich die Probleme der ethnologischen Dokumentation erkennen. Einerseits erzählt er eine romantische Liebesgeschichte, anderseits gab Curtis den Kwakiutl Gelegenheit, ihre Masken und Tänze vorzuführen, die dafür dramatisch überarbeitet wurden. Vierzig Jahre später erhielt der Stummfilm eine Tonspur, auf der wiederum Ethnologen die Kwakiutl Gesänge rekonstruieren ließen. So ist seine „Authentizität“ immer schon eine für den Außenstehenden aufbereitete.

Ein Sammler indianischer Mythen war Franz Boas, der 1885 am Berliner Museum für Völkerkunde zu arbeiten begann. Doch schon bald brach er zur Feldforschung nach Amerika auf, denn: „. . . die Masken, zu denen hier nicht gleich Geschichten gesammelt werden, werden grösstentheils immer unverstanden bleiben.“ Zwei Filme erinnern an seine Arbeit, zuletzt auch mit der Kamera.

Jahrzehntelang tauchten dann Indianer als Darsteller nicht mehr auf. In Western wurde ihre Rollen von geschminkten Weißen übernommen. Fast müsste man deshalb die zur Filmreihe gezeigte Sammlung von Westernplakaten aus den 40er-Jahren wie ein Epitaph zum Verschwinden der Indianer lesen. Doch die First Nations, wie sich die Stämme heute nennen, entdeckten in den Siebzigerjahren den Film als ein Instrument der Wiederaneignung ihrer verdrängten Kulturen. Die Hopi reagierten auf die Macht der Medien mit einem Verbot für Weiße, in ihren Reservaten zu filmen. Die Geschichte der indianischen Filmemacher begann. Zu den Repressionen gehörte das Verbot der Potlatch-Geschenkfeste, die die kapitalistische Logik des Arbeitens für Geld und der Anhäufung von Reichtum durch die Zirkulation von Geschenken unterliefen. Die Kwakiutl wurden dafür zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt und mit der Wegnahme ihrer rituellen Masken bestraft. In „Potlatch – Unser Gesetz will, dass wir tanzen“ von 1975 verteidigte Dennis Wheeler die Geschenkfeste.

Auch in „Acts of Defiance“, „Incident at Restingouche“ und „My Name is Kahentiiosta“ geht es um politische Kämpfe der letzten zwanzig Jahre, die um die Fischrechte der Micmac und das Land der Mohawk ausgefochten wurden. 1990 sollte ein Friedhof und heiliges Land der Mohawk einem Golfplatz weichen. Mohawk besetzten eine Brücke, der kanadische Staat ließ Panzer auffahren. Wie eine junge Frau und indianische Stahlarbeiter den Konflikt erlebten, zeigen Filme von Alanis Obomsawin.

Zum Teil erzählen die Filme, wie rekonstruierte Rituale in der modernen Gesellschaft Funktionen der Kommunikation oder Therapie erfüllen. „Dabei wird die Normalität der Anderen deutlich“, sagt Wolfgang Davis, der das Programm der 100 Filme zusammengestellt hat. Den hochhausbauenden Mohawk hat Pat Ferrero ihr Porträt „Skywalker“ gewidmet: Sie sind zu einem spektakulären Symbol für die Verbindung von Tradition und Moderne geworden. Dass diese oft nicht gelingt, beschäftigt den Maler „Man of Masks“. Er transformiert die traditionellen Figuren und bindet sie ein in einen Kampf gegen Umweltzerstörung, Alkoholismus und andere Probleme der Gegenwart. Katrin Bettina Müller

Von heute bis zum 30. 1., Ethnologisches Museum, Lansstr. 8, Dahlem