Abschiebung in letzter Minute aufgeschoben

Nachdem sie vor Gericht ausgesagt hat, soll eine Ex-Prostituierte zurück nach Dagestan

Was macht man nach der Verurteilung mit den Belastungszeugen? Abschieben.

So sollte es gestern Benetecha N. aus der russischen Republik Dagestan ergehen. Ende letzten Jahres waren durch ihre Aussage zwei Beschuldigte wegen schweren Menschenhandels verurteilt worden. Die beiden hatten N. mit falschen Versprechungen nach Berlin geholt und sie hier zur Prostitution gezwungen.

Nach der Verurteilung beantragte N. eine Duldung aus humanitären Gründen. Die Ausländerbehörde erließ dennoch eine Ausweisungsverfügung, nahm N. am Dienstag bei einem Behördenbesuch in Abschiebehaft und wollte sogleich zur Tat schreiten. Im Eilverfahren setzte das Verwaltungsgericht jedoch die Verfügung aus – bis über den Duldungsantrag der in Charlottenburg lebenden Frau entschieden ist.

Für Udo Maier (SPD), den Sozialstadtrat des Bezirks, ist eine Abschiebung falsch. Es könne nicht angehen, „dass eine Zeugin zunächst mit ihrer Aussage die Justiz unterstützt und dann in den sicheren Tod abgeschoben wird“. Der Stadtrat fordert daher eine offizielle Duldung der 23-Jährigen. N. wisse nicht, wohin sie sich in Dagestan oder anderen Teilen Russlands wenden sollte, und von ihrer moslemische Familie sei sie verstoßen worden.

Nachdem der Vater von der erzwungenen Prostitution seiner Tochter erfahren habe, soll er sogar gedroht haben, sie umzubringen, sagte Maier gestern der taz. Auch aufgrund ihrer Aussage gegen die verurteilten Menschenhändler sei N. in Dagestan „mit dem Tode bedroht“.

In der Behördenpraxis ist das Vorgehen der Ausländerbehörde aber durchaus üblich. Zeugen ohne Aufenthaltsgenehmigung wird in der Regel für die Dauer des Verfahrens eine Duldung zugestanden, nach Verurteilung folgt die Ausweisungsverfügung.

Andererseits darf es nach dem Ausländergesetz keine Abschiebung geben, wenn den Abgeschobenen nach ihrer Ankunft Tod oder Folter drohen. In einzelnen Fällen waren in der Vergangenheit aber auch nach dem Verfahrensabschluss Duldungen für ausländische Zeugen ohne Aufenthaltsrecht erteilt worden.

Die für Ausländerangelegenheiten zuständige Senatsinnenverwaltung wollte gestern zu diesem Einzelfall keine Stellungnahme abgeben. Dirk Hempel