Der Kult der kleinen Kacker

Regression als Religion: Endlich haben es die süßen schmutzigen Helden der gleichnamigen MTV-Serie zu uns ins Kino geschafft: „South Park – Der Film“

Vor zwei Jahren hat man sich hier zu Lande noch kleine Clips aus dem Internet runtergeladen, um zur kulturellen Avantgarde zu gehören. Vier niedrig aufgelöste Figürchen führten dort einen mit vielen Pupswitzen versetzten Diskurs über Zensur, Religionsfreiheit und schwule Haustiere, den man allerdings nicht immer verstanden hat, weil die Tonqualität so schlecht war. Dennoch, als letztes Jahr auch das deutsche Fernsehen „South Park“ ausstrahlte, baumelten die Kenny und Kyles längst von den Schlüsselanhängern der ersten Zuschauergeneration. Die Serie wurde dementsprechend als Kult eingeführt, was die Lust, sich Samstagnacht vor dem Fernseher herumzudrücken, schon mal beträchtlich schmälerte.

Ähnlich wie bei den MTV-Dumpfbacken Beavis und Butthead leitet die Feature-Film-Werdung von „South Park“ nun die nächste Rezeptionsstufe ein. Das heißt, sie bietet auch uneingemeindeten Kulturgängern eine Chance, sich am Toilettenhumor von ein paar Grundschülern zu erfreuen, ohne dabei noch Gefahr zu laufen, einen neuen Trend mitzumachen.

Dieser Hipnessverlust des Produkts geht aber erfreulicherweise nicht mit einer Verwässerung der South-Park-Botschaft einher. Ganz im Gegenteil, die Schöpfer der Serie, Matt Stone und Trey Parker, haben noch einmal ihren ganzen Hass auf Anstand und Moral zusammengerafft und Andrew-Lloyd-Webber-mäßig in die große Form des Musicals einfließen lassen. Das ist der eine Grund, warum South Park auch über eine Länge von 80 Minuten funktioniert. Zusammen mit Mark Shaiman hat Trey Parker Pop-Hymnen wie „Kyles Mom ist eine fiese Schlampe“ und „Onkelficker“ (im feurige-Ärsche-Mix) geschrieben, die für die emotionalen Höhepunkte des Films sorgen. Außerdem werden einem viele grobe Witze und eine selected Schimpfwörter-Choice geboten (eselpoppender Kackfresser, Afterhöhlenforscher, furzköpfiger Rosettenhengst etc.). Die unter den Kindern grassierende Koprolalie steht sogar im Mittelpunkt der Handlung. Denn nachdem Kenny, Kyle, Cartman und Stan den Film „Feurige Ärsche“ der furzwütigen Kanadier Terrence und Philip gesehen haben, steigt ihr aktiver Sprachschatz rapide an.

Unter der Schirmherrschaft von Kyles fanatischer Mutter organisieren sich prompt die „Mütter gegen Kanada“, die Amerika zielsicher in den Krieg führen, frei nach dem Motto: „Für Kanada gibt es kein Pardon, auch nicht für Celine Dion“. An der Heimatfront kämpft man dagegen mit Umerziehungsprogrammen (es heißt jetzt „Ach du Kot!“) und dem neu entwickelten V-Chip, der einem Kind (Cartman, um genau zu sein) immer dann einen elektrischen Schlag versetzt, wenn er ein obszönes Wort benutzt. Wie schon die Serie setzt sich so auch der Film mit den neuesten amerikanischen Zensurbestrebungen auseinander. Der V-Chip ist schließlich tatsächlich in Produktion, er muss seit dem 1. Januar dieses Jahres in alle amerikanischen Fernsehgeräte eingebaut werden. Zugleich verstrahlen die US-Fernsehanstalten ihre Programme mit einem Signal, das die Sendungen vorab klassifiziert. Der Chip blockiert dann die von Eltern unerwünschten Programme, wenn sie zum Beispiel „unanständige Sprache“ enthalten (wie „South Park“). Diese mechanische Bewältigung kultureller Komplexitäten vereiteln bisher nur die Kanadier, die es nicht auf die Reihe kriegen, ihre Sendungen zu codieren.

Als die allzu libertären Kanadier Terrence und Philip im Film hingerichtet werden sollen, nehmen Cartman & Co schließlich den Kampf um die freie Fickwortäußerung auf. Anders als bei den Simpsons stellen die Kinder deshalb nicht gerade eine Bastion der Aufklärung dar (Cartman macht zum Beispiel ständig Judenwitze). Aber die mutwillige Regression bringt immerhin zu Tage, was die moralischen Säuberungskommandos nicht wahrhaben wollen. Dabei sind die traditionellen Tugendwächter in South Park immer noch die größten Rassisten (schwarzer Soldat: „Haben Sie noch nie etwas von der Sklavenbefreiung gehört?“ General: „Ich höre kein Hip-Hop“). Wohlgemerkt, da der Film politisch korrekte Sprachregelungen als eine Art des kollektiven Putzwahns betrachtet, kriegen nicht nur die Militärs, sondern auch Schwule und Kanadier ihr Fett ab. Im Gegensatz zu Cartmans antisemitischen Ausfällen wirken diese Minderheitenwitze hier zu Lande aber vergleichsweise harmlos. Schließlich ist in Deutschland das Ressentiment gegen die PC-Sprache sowieso größer als ihre tatsächliche Verbreitung. Anstößiger sind auf jeden Fall die vulgären Analgesänge bzw. der Versuch, jede vernünftige Auseinandersetzung verbal zuzukacken. Es geht in „South Park“ eben nicht nur darum, auch mal ein bisschen zu diskriminieren, sondern um den Zusammenhang von verklemmter Arschkneiferei und Rassimus. Nicht umsonst ist der englische Porno, in dem Cartmans Mutter mitspielt, im Original ein „German Scheiße video“.

(Aber keine Sorge, die Synchronisation ist ansonsten gelungen, und wie im Original leihen heimische Stars den Figuren ihre Stimmen, also statt George Clooney Elmar Wepper bzw. Heinz Hoenig, Guildo Horn oder Lilo Wanders (als Klitoris).

Kerstin Stolt

„South Park“. Regie: Trey Parker. USA 1999. 80 Min.