„Die Leute wollen Opfer sehen, das weiß ich“

Ole von Beust, CDU-Fraktionschef in Hamburg und Mitglied im Parteipräsidium, über Schäubles Fehler, dessen mögliche Kandidatur für den Parteivorsitz und der Deutschen Nibelungentreue zu Kohl

taz: Herr von Beust, sind Sie erleichtert über den Rücktritt Helmut Kohls als Ehrenvorsitzender der CDU?

Ole von Beust: Herr Kohl zieht es offenbar vor, sich weiterhin nicht an Recht und Gesetz zu halten. Daher ist der Rücktritt richtig.

Sie haben den Beschluss des CDU-Präsidiums am Dienstag mitgetragen. Ein weiterer Rücktritt, der von Wolfgang Schäuble als Parteichef, kommt für Sie nicht in Frage?

Ich habe für diesen Beschluss gestimmt, trotz des Fehlers, den Wolfgang Schäuble gemacht hat. Ich habe den Eindruck, dass er unser Vertrauen verdient bei dem Versuch, die Karre aus dem Dreck zu ziehen.

In der Öffentlichkeit gilt Schäuble kaum noch als vertrauenswürdig ...

Die Leute wollen Opfer sehen, das weiß ich. Aber das löst die Probleme nicht.

Würden Sie ihm raten, im April erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren?

Ob Schäuble die Aufgaben, die noch vor uns liegen, schultern könnte, kann man erst einschätzen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Sie warten also gespannt auf den für Freitag angekündigten Bericht der Wirtschaftsprüfer?

Gespannt ist gar kein Ausdruck. Aber danach sehen wir hoffentlich klarer. Vorher kann ich Schäuble keinen Rat geben. Er selber sieht das auch so. Er ist nicht der Übergangsvorsitzende, aber die Entwicklung ist so rasant, dass man langfristige Aussagen im Moment nicht machen sollte.

Nach einer gestrigen Leserumfrage der „Bild“, wer die CDU retten könnte, steht Helmut Kohl auf Platz zwei hinter dem niedersächsischen Parteichef Christian Wulff. Entsetzt Sie ein solches Ergebnis?

Wenn es so sein sollte, kann ich nur sagen: Nibelungentreue ist eine urdeutsche Eigenschaft, die schon immer mehr Probleme geschaffen als gelöst hat.

Geben Sie die Wahl in Schleswig-Holstein am 27. Februar schon verloren?

Das sind noch sechs Wochen, das ist eine lange Zeit. Aber die CDU hat nur noch eine Chance, wenn sie glaubhaft aus dem Schatten Kohls heraustritt.

Dessen Schatten ist gestern abend über Hamburg gefallen. In der Handelskammer hat er über das Thema „Zukunft für Europa“ gesprochen. Warum waren Sie nicht da?

Ich habe nebenan im Rathaus in der Sitzung der Bürgerschaft gesessen und meine Aufgaben als Fraktionsvorsitzender wahrgenommen. Außerdem war mir gestern nicht nach Helmut Kohl zumute.

Interview: Sven-Michael Veit