Das macht den Kohl auch nicht mehr fett

■ Neue Geständnisse in der CDU-Spendenaffäre: Vizechef Wulff über weitere neun Millionen Mark, Hessens Landeschef Koch über weitere Schweizer Konten. Verlust der Leuna-Akten bleibt dubios

Berlin (taz) – Führende Christdemokraten befürchten, dass schon bald Beweise für schwarze Kassen der Bundespartei im Ausland auftauchen könnten. Ein Bundestagsabgeordneter berichtete der taz, der ehemalige CDU-Steuerberater Weyrauch habe bei der Abrechnung seiner Reisen in die Schweiz Belege mit den Stichworten „Hessen“ und „Bundes-CDU“ gekennzeichnet. Möglicherweise weigert sich Helmut Kohl, die Namen derer zu nennen, die ihm zwei Millionen Mark in bar übergeben haben, weil es diese Spender nicht gibt. Stattdessen hat sich die Bundespartei möglicherweise – wie die hessische CDU – bei Bedarf Geld von ihren eigenen schwarzen Konten aus dem Ausland geholt. Das Auslandsgeld könnte aus der ehemaligen CDU-Geldwaschanlage „Staatsbürgerliche Vereinigung“ stammen.

CDU-Generalsekretärin Angela Merkel hat inzwischen bestätigt, dass in den CDU-Rechenschaftsberichten zwischen 1989 und 1993 weitere Einnahmen „unbekannter Herkunft“ stehen. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Christian Wulff gestand, dass im Bericht der Wirtschaftsprüfer mit weiteren neun Millionen Mark zu rechnen sei.

Auch aus Hessen gibt es neue Eingeständnisse. Ministerpräsident Roland Koch gab zu, dass die Landespartei nicht nur weitere Schweizer Schwarzkonten geführt habe. Sie habe auch mehr als die bisher bekannten Zahlungen aus der Schweiz erhalten. Bei den Geldern handle es sich um fünfstellige Summen.

Der ehemalige französische Staatsbetrieb Elf Aquitaine behauptet indessen, er sei beim Kauf der ostdeutschen Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennetzes betrogen worden. Das erklärte die Genfer Staatsanwaltschaft. Sie hat sich an die Staatsanwaltschaft Augsburg gewandt, um Informationen aus Deutschland zu bekommen sowie Verdächtige und Zeugen vernehmen zu können. Zu diesen gehören nach Informationen des ZDF der frühere Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und Ex-Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning, beide CDU. Bohl versicherte jedoch, er habe „keine Gelder entgegengenommen“. Die Entscheidung für Elf Aquitaine habe er „aus sich heraus getroffen“, um den Wiederaufbau des Chemie-Dreiecks in Sachsen-Anhalt zu sichern.

Die verschwundenen Leuna-Akten, die über diese Vorgänge Aufschluss geben könnten, sind „definitiv“ nicht beim Regierungsumzug verloren gegangen. Dies ist das Ergebnis einer internen Untersuchung des Bundeskanzleramts. „Schlamperei können wir inzwischen ausschließen“, erklärte eine Sprecherin.

Die mehrwöchige Untersuchung des Kanzleramtes hat ergeben, dass über den Verkauf des Raffineriekomplexes Leuna und der Tankstellenkette Minol an Elf Aquitaine fast keine Originalakten mehr vorliegen. Teilweise sind noch unvollständige Kopien vorhanden. Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will jetzt einen disziplinarrechtlichen „Ermittlungsführer“ einsetzen, der die näheren Umstände des Aktenverlustes aufklären soll. Ausgewählt werde eine Person, die „von außen“ komme. Die Staatsanwaltschaft Bonn ist bisher noch nicht mit der Sache befasst. Strafrechtlich könnte die Beseitigung der brisanten Akten als „Verwahrungsbruch“ gewertet werden. Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, bei Beamten bis zu fünf Jahren, sind möglich. „Uns hat das Bundeskanzleramt bisher noch nicht mitgeteilt, dass die Akten definitiv verschwunden sind“, erklärte gestern Bernd König, der Sprecher der Bonner Staatsanwaltschaft. „Und wenn die Akten erst in Berlin weggekommen sind, dann wären wir auch gar nicht zuständig.“

Davon kann allerdings nicht ausgegangen werden. Nach Informationen des Spiegel hat schon die Kohl-Regierung im Februar 1998 erfolglos nach den Originalakten gesucht. Zuletzt seien sie im Oktober 1994 gesehen worden.

T. Stadlmayer, K. Nink, C. Rath