Der Dicke und die Lebern

■ Beobachtungen beim ersten „German Dance Award“

Mark Spoons gelber Anzug allein, mit dem der dicke Frankfurter Dance-Produzent aussieht wie ein aufgepumptes Stück Käse, hätte schon der Höhepunkt des Abends sein können – da fängt der Mann an zu reden. Er habe schon „etwas getrunken“ gesteht er, kommt schließlich auf die Veranstaltung selbst zu sprechen, die sogenannte Gala des ersten „German Dance Awards“ im Imperial-Theater an der Reeperbahn, bei der Spoon als Ehrengast einen der Preise verleiht. Spoon hält wenig davon, dass ein Gutteil der Preisträger (darunter Basement Jaxx, Kraftwerk, Carl Cox, Mr. Oizo) ihre Trophäe gar nicht selbst abholt, er hält wenig davon, dass Trashprojekte wie Warmduscher Erfolg haben, er hält wenig davon, die Situation von in Deutschland produzierter Dancemusik zu beschönigen.

Vorausgegangen sind Spoons Auftritt zweieinhalb rührende Stunden: Die Moderatoren Cyrus Sadri von N-Joy-Radio und Beate Geibel aus der Plattenindustrie führten mit dem Charme von Klassensprechern durch das Programm – und waren auch wie Klassensprecher angezogen. Sie vergaben eine Trophäe, die einige der Preisträger an eine Leber erinnerte, andere an eine Niere. Dazu Show-Einlagen, mal Ausdruckstanz, mal Tabledance.

Die Party danach findet auf der anderen Seite der Reeperbahn statt, im Mojo Club, im Phonodrome und im Mandarin. Im Phonodrome ist es relativ leer – dort legen DJs auf, die für die weniger geschmäcklerische Seite der Dancekultur stehen: Paul van Dyk, Talla 2XLC etc. Im Mojo Club ist das Programm smarter, vielfältiger, dadurch aber auch zerrissener: Auf Tiefschwarz aus Stuttgart, die aufputschenden House mit viel Soul bevorzugen, folgt der Engländer Herbert. Sein Auftritt gleicht einem Konzert: relativ reduzierte Sounds, eine Sängerin, das Publikum steht auf der Tanzfläche. Später kommen Bob Sinclair aus Frankreich und der Freiburger Rare-Groove-Spezialist Rainer Trüby.

Im Mandarin ist die VIP-Lounge eingerichtet: Treffpunkt der Liebhaber von Freibier und Snacks vom Büffett, Treffpunkt der Leute, die sich beschweren, dass die Einzelzelle in der Herrentoilette schon wieder so lange besetzt ist. Mittendrin sitzt ein Mann, der den Telekom-Preis für den „Alltime Hero“ genauso verdient gehabt hätte wie Kraftwerk – und der ihn auch persönlich hätte abholen können: Holger Czukay, früher bei Can. Mark Spoon schwankt an ihm vorbei.

Sebastian Hammelehle