Diepgen gesteht: Keine Terminnot

■ Weil er das Holocaust-Mahnmal nicht loben will, bleibt Diepgen dem vorgesehenen Baubeginn fern. Das geplante Stelenfeld vergleicht er mit einer schnöden Altentagesstätte

Die Zeit hätte er schon – allein, ihm fehlt der Wille. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gab gestern offen zu, dass er dem symbolischen Baubeginn für das Holocaust-Mahnmal am kommenden Donnerstag nicht aus Terminnot, sondern ganz bewusst fernbleibt.

„Sie können von mir nicht erwarten, dass ich zu einem symbolischen Akt gehe und eine Entscheidung lobe, die ich so nicht getroffen hätte“, sagte Diepgen auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Alice Ströver. Er gehöre nicht zu den Politikern, die „heute hü, morgen hott“ sagten. Von Terminproblemen, die sein Büro bislang als Grund für das Fernbleiben genannt hatte, sprach Diepgen gestern nicht mehr.

Außerdem kritisierte Diepgen, dass es bislang „weder Bauplanungsunterlagen noch Aufschluss über Kosten oder Verkehrsplanung“ gebe. Es handele sich um „einen Baubeginn, wo ich gar nicht weiß, was gebaut wird“. Zwar habe er – etwa im Fall der Wilmersdorfer Altentagesstätte „Schlösschen“ – an Grundsteinlegungen teilgenommen, obwohl das Geschäft noch nicht abgeschlossen war. Doch habe er in jenem Fall „gewusst, was gebaut wird“. Den Architekten des geplanten Stelenwalds, Peter Eisenman, bezeichnete Diepgen versehentlich als „Stelenman“.

Diepgen beteuerte jedoch, von ihm werde der Bau des Mahnmals „auf keinen Fall blockiert, sondern in dem Sinne gefördert, dass es für die Stadt möglichst dienlich ist“. Über Einzelheiten der Planung sei er mit Eisenman im Gespräch.

Nachdem die taz in der vergangenen Woche über Diepgens Abwesenheit berichtet hatte, musste der Regierende Bürgermeister heftige Kritik aus dem In- und Ausland einstecken. Am Dienstag berichtete die New York Times in großer Aufmachung über den Eklat. Das Blatt zitierte den Kulturstaatsminister Michael Naumann mit den Worten: „Ich bin sehr überrascht, dass Herr Diepgen nicht kommt. Ich hoffe, er wird seine Meinung noch ändern.“

Die PDS-Fraktion forderte Diepgen in einem Dringlichkeitsantrag auf, an der Zeremonie teilzunehmen. Die Beratung dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Der Antrag hatte jedoch wenig Aussicht auf Erfolg, weil ihm die SPD aus Koalitionsdisziplin nicht zustimmen wollte, obwohl sie Diepgens Haltung kritisiert hatte. Die Grünen signalisierten Zustimmung. Die Abgeordnete Ströver sagte, sie sei „geschockt“, dass Diepgen sich offenbar „wie ein trotziges Kind in eine Blockadehaltung verrannt“ habe. In der Terminfrage habe er sein Büro „lügen lassen“. Ralph Bollmann
Philipp Gessler