■ Wieder ein schrecklicher Tag für die CDU: Laue Entschuldigungen Wolfgang Schäubles vor dem Bundestag, der Untersuchungsausschuss tagte, und dazu die Nachricht, dass sich ein Fraktionsmitarbeiter umgebracht hat
: Aus dem Leben, im Skandal

Kraftlos und erschöpft sitzt Dr. Wolfgang Schäuble in der ersten Reihe des Bundestages, den Blick abgewandt vom Rednerpult und der Regierungskoalition. Sein Gesicht ist Hans-Peter Repnik zugewandt. Was der grüne Fraktionschef Rezzo Schlauch vor dem Plenum des Deutschen Bundestages sagt, will er scheinbar nicht hören. Nicht von dem „rapiden Vertrauensschwund“ der Bürgerinnen und Bürger in die gesamte Politik durch den Finanzskandal der CDU. Nichts davon, dass „die Dimension dieser Erosion und ihre Konsequenzen auf die Parteiendemokratie, auf Staat und Gesellschaft erst in Ansätzen und noch lange nicht im Gesamtausmaß bewusst“ seien.

Eben hat Schäuble selbst seine Rede zur CDU-Spendenaffäre gehalten – nicht mit der Überzeugungskraft, die er sich gewünscht haben mag. Schäuble weiß das.

Was er noch nicht weiß ist, dass er an diesem Tag noch den Selbstmord eines Fraktionsmitarbeiters wird mitteilen müssen. Den von Wolfgang Hüllen, seit 1984 Leiter des Haushalts- und Finanzbüros der CDU/CSU-Fraktion.

Mitten in der CDU-Finanzaffäre reichte es, wenn einer für das Geld der Fraktion zuständig war, um die Spekulationen hochkochen zu lassen. Auch oder gerade in der Fraktion. Bei einer rasch einberufenen Sondersitzung quält viele die Frage: Gibt es einen Zusammenhang zum aktuellen Skandal? Sind noch mehr Enthüllungen zu erwarten? „Ich kann nicht versprechen, dass das alles ist, wir sind mittendrin im Skandal“, hat Schäuble geantwortet. Nach der Sondersitzung sagt der Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, Andreas Schmidt, Hüllen sei „in der Fraktionsverwaltung für die Finanzen“ zuständig gewesen. „Das schürt natürlich die Spekulationen.“

Am Morgen im Bundestag hatte Schäuble versucht, die Debatte mit Anstand zu bestehen. Sein Anfang war viel versprechend. Er sprach „von einer ungewöhnlich schwierigen Stunde für einen Vorsitzenden der CDU Deutschlands und einen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“. Er entschuldigt sich „für die CDU Deutschlands“ dafür, „dass in unserer Verantwortung offensichtlich gegen Gesetze verstoßen worden ist und dass wir Vertrauen in die Integrität demokratischer Parteien und Institutionen beschädigt haben“, und entschuldigte sich dafür, dass er am 2. Dezember im Bundestag die 100.000-Mark-Spende von Waffenhändler Schreiber verschwiegen hat.

Kein Applaus aus den eigenen Reihen folgte. Stattdessen bedrückende Stille. Schäuble ist irritiert und verfällt in die alte Leier: Die neue Parteispitze habe keine Gesetzesverstöße begangen, man wolle die Aufklärung „so gut und so energisch wie es geht“ vorantreiben, die SPD habe schließlich auch Geld von den Gewerkschaften bekommen, und dann die ganzseitige Anzeige für Schröder im Wahlkampf von einem Fan.

Die Zwischenrufe häufen sich und erreichen ihren Höhepunkt, als Schäuble das „geschichtliche Werk von Helmut Kohl“ lobt. Von jenem Helmut Kohl, der ihn und die CDU im Regen stehen lässt, weil er die Namen der anonymen Spender nicht nennen will, von denen er Geld bekommen hat. Jener Helmut Kohl, der sein Ehrenwort über das Gesetz stellt, der sich am Dienstagabend in der Hamburger Industrie- und Handelskammer feiern lässt, als sei er immer noch der große Held der Deutschen Einheit.

Statt einen klaren Schnitt mit dem System Kohl vor dem Deutschen Bundestag zu machen, erneutes Lob für den abtrünnigen Ehrenvorsitzenden von Schäuble. Statt einer Perspektive für die eigenen Parteifreunde, etwa mit der Androhung eines zivilrechtlichen Vorgehens gegen Kohl, das Aufrechnen mit den politischen Gegnern. Der ehemalige Sozialminister Norbert Blüm wirkte nach der Plenarsitzung, als könne er den ganzen Skandal immer noch nicht fassen: „Die Hessen-Geschichte, das war mein Damaskus-Erlebnis“, sagt er. Und Kohl „soll reden und sich und der CDU einen Gefallen tun“.

Bei der Koaltion bewirkte Schäubles Auftritt vor dem Parlament nur Kopfschütteln: „Er hat seiner Fraktion keine Orientierung und der Öffentlichkeit keine plausible Antwort gegeben“, sagt der SPD-Generalsekretär Franz Münfering hinterher zur taz. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, ist „sehr enttäuscht“. Schäuble „hätte Kohls Auftritt in Hamburg anprangern müssen.“

Wolfgang Schäuble hat enttäuscht. Wieder einmal. Es bleibt die Aufgabe des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, den Finanzskandal der CDU aufzuklären. Gestern hat er fast nebenbei und nach der konstituierenden Sitzung im Dezember seine Arbeit aufgenommen. Es wurden die ersten Zeugen beschlossen, die nun vor dem Gremium aussagen müssen. Unter ihnen auch der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Er soll als ehemaliges Mitglied des Bundessicherheitsrates zu der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien 1991 befragt werden. Wann welche Zeugen vernommen werden, soll in der nächsten Sitzung entschieden werden.

Für die CDU war dieser Mittwoch wieder ein schwarzer Tag: „Das ist alles makaber. Wie wenn hier einer Regie führen würde“, sagte Michael Glos (CSU) nach der Fraktionssondersitzung.

Karin Nink, Berlin