Bezirke lehnen Berliner Entschädigungsstiftung ab

Bürgermeister-Votum gegen städtischen Zwangsarbeiter-Fonds stößt auf Kritik

Mit Unverständnis und Verärgerung haben Politiker der Opposition, Historiker und ein NS-Opferverband auf die Entscheidung des Rates der Bürgermeister reagiert, keine eigene Berliner Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern einzurichten. Die Bezirkschef-Versammlung hatte mit Mehrheit gegen die Stimmen von Bürgermeistern der PDS und Grünen einen Antrag der PDS abgelehnt, die Überlebenden des Zwangsarbeitsystems in der Kommune zu entschädigen.

Andreas Plake vom Bundesverband Information und Beratung von NS-Verfolgten nannte die Weigerung zur Installierung einer eigenen Entschädigungsstiftung „das übliche Spiel“, das auch schon aus anderen Kommunen bekannt sei: Mit Verweis auf die Bundesstiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern werde auch hier der Schwarze Peter weitergereicht. Er verwies darauf, dass es dagegen in München, Darmstadt, Frankfurt am Main, in einigen Ruhrgebietsstädten und selbst in kleinen Städten wie dem schwäbischen Uhingen bei Göppingen Initiativen gebe, kommunale Institutionen zur Zwangsarbeiter-Entschädigung zu gründen.

Gisela Wenzel von der Berliner Geschichtswerkstatt erinnerte daran, dass in keiner anderen Stadt des Deutschen Reichs so viele Arbeiter eingesetzt worden seien wie in Berlin. Keine andere Kommune habe auch in ihren Einrichtungen wie den Wasser- und Strombetrieben eine solche Menge hierher verschleppter Menschen ausgebeutet.

Allein für die städtischen Einrichtungen, so die Historikerin, habe es in Berlin 37 Zwangsarbeiterlager gegeben. Insgesamt seien allein im August 1944 zum Höhepunkt der Zwangsarbeiter-Ausbeutung etwa 300.000 Menschen in 1.000 Lagern der Hauptstadt untergebracht worden. Nach Auskunft des Zwangsarbeiter-Experten Mark Spoerer mussten allein auf deutschem Boden etwa 2,4 Millionen Menschen schuften – 5 bis 10 Prozent in städtischen Infrastruktureinrichtungen.

Die PDS-Bürgermeister Uwe Klett (Hellersdorf) und Wolfram Friedersdorff (Lichtenberg) zeigten sich nach der Entscheidung des Bürgermeister-Rates entsetzt über die Entscheidung der Mehrheit. Ihre Fraktion im Abgeordnetenhaus will nun in der nächsten Sitzung des Landesparlaments einen Antrag einbringen, der das Land auffordert, in die Bundesstiftung einzuzahlen. Die Grünen hatten schon bei der Sitzung am Donnerstag einen ähnlichen Antrag gestellt. Demnach soll der Senat Druck auf die Berliner Unternehmen ausüben, damit sie der Bundesstiftung beitreten. Dieser Antrag ist jetzt in der parlamentarischen Beratung. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast erklärte sich den Beschluss der Bürgermeister damit, dass sie wohl vor allem deshalb dem Antrag der PDS nicht gefolgt seien, weil er von der Opposition gekommen sei.

CDU-Bürgermeisterin Marlies Wanjura aus Reinickendorf verteidigte dagegen ihr Votum: Mit allen Kollegen sei sie für eine „adäquate Entschädigung“ der Zwangsarbeiter. Dies solle jedoch nicht durch eine Stiftung der Stadt, sondern durch die Bundesstiftung geschehen. Philipp Gessler