Schluss mit dem Kolonialismus

■ Der 22. Afrika-Cup, der heute mit dem Favoriten Nigeria in Ghana beginnt, steht auch im Zeichen der Bewerbung um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ■ Aus Accra Kurt Wachter

„Wir können Tag und Nacht arbeiten, und bis zur Eröffnung wird alles fertig sein.“ Zumindest der Maler hat seinen Job erledigt. Die Tore des Stadions von Accra strahlen in leuchtendem Weiß. Der Rasen ist frisch gemäht, und auch die in den Nationalfarben gehaltenen knallgelben Plastiksitze aus der Slowakei sind rechtzeitig geliefert worden. Nur die Telefonleitungen im Pressebereich harren der Fertigstellung. Für das heutige Eröffnungsspiel des Afrika-Cups zwischen Ghana und Kamerun wird alles okay sein, oder nicht? Die Ghanaer demonstrieren jedenfalls Relaxtheit.

Der 22. Afrika-Cup ist das erste große Fußballereignis, das von zwei Ländern organisiert wird. Die fußballhistorischen Erzrivalen Ghana und Nigeria mussten kurzfristig einspringen, nachdem der Kontinentalverband CAF Simbabwe das Turnier entzogen hat. Nigeria und Ghana können auf die Stadien der U-20 Fifa-WM und des U-20 Afrika-Cups vom vergangenen Jahr zurückgreifen.

Die Erwartungen sind hoch gesteckt. Nicht nur, was die Organisation angeht, sondern vor allem, was den Standard des afrikanischen Spiels angeht. Nach der enttäuschenden Performance der afrikanischen Teams bei der WM in Frankreich ist Wiedergutmachung angesagt. Die Stars aus Europa sind jedenfalls vollständig angereist. In den Kadern der 16 Teams finden sich jede Menge Fremdarbeiter, davon 23 aus Deutschland.

Für das Finale am 13. Februar in Lagos drängen sich mehrere Kandidaten auf. Vom Spielerpotenzial spricht alles für Nigeria. Im Angriff der Arsenal-Star und frisch gekürte Afrikanische Fußballer des Jahres, Nwankwo Kanu, assistiert vom Dortmunder Victor Ikpeba, im Mittelfeld Sunday Oliseh von Juventus Turin und Finidi George, sowie eine Defensivabteilung rund um Chelseas Celestine Babayaro. Wie schon in Frankreich könnte sich eine chaotische Vorbereitungsphase als Manko erweisen: Kaum Testspiele und Querelen zwischen Sportminister und Verband rund um die Bestellung des neuen, alten Coaches Jo Bonfrere. Die WM-Kollegen Marokko und Tunesien, beide in Gruppe D, werden auch alles daran setzen, einen Absturz der Super Eagles zu provozieren.

Ghana ist der sentimentale Favorit – auch ohne Anthony Yeboah. Der technisch versierte Stil der Black Stars gilt als prototypisch für den afrikanischen Kick. Der letzte Titel datiert allerdings aus dem Jahre 1978, damals noch mit dem 17-jährigen Abedi Pelé. In der Gruppe A wartet neben Kamerun und Elfenbeinküste auch Togo, jener Nobody, der Ghana das Ticket nach Frankreich kostete. Bei den ghanaischen Anhängern regiert eher Skepsis denn Euphorie. Enttäuschte Hoffnungen gab es bereits genug.

In Kano, neben Lagos der zweite Spielort im Norden von Nigeria, dürfen sich Titelverteidiger Ägypten, Sambia und Burkina Faso sowie der Außenseiter Senegal messen. Mit dem 4. Platz beim Afrika-Cup 1998 schaffte Burkina Faso die Sensation im eigenen Land. Ein Aufstieg ins Viertelfinale ist dem jungen lokalen Team jederzeit zuzutrauen.

Südafrika will nicht nur mit der Promotiontour für die WM-Bewerbung 2006 präsent sein, sondern auch auf dem Rasen. Bafana, Bafana, vor zwei Jahren den Ägyptern im Finale unterlegen, müsste sich gegen Gabun und das Team aus Algerien durchsetzen.

Der Afrika-Cup ist auch Bühne für globale Fußballpolitik. Am Donnerstag trafen sich im klimatisierten Konferenzentrum in Accra, unmittelbar hinter dem Stadion, die Funktionäre zur Wahl des neuen CAF-Präsidenten. Fifa-Chef Sepp Blatter umarmte und herzte demonstrativ den regierenden Präsidenten, Issa Hayatou, und so machte der Kameruner auch bei seinem vierten Antreten klar das Rennen. Mit dabei auch ehemalige Fußballgrößen wie Michel Platini, Bobby Charlton, Roger Milla und Franz Beckenbauer. Beckenbauer ist in Sachen Deutschland 2006 unterwegs und machte den Afrikanern ein simpel gestricktes Angebot: Für 2006 unterstützt ihr Deutschland und wir helfen euch, 2010 die erste WM nach Afrika zu bringen. Der südafrikanische WM-Bewerbungskoordinator, Danny Jordaan, stellte in seiner Präsentation klar: „Wir haben den Kolonialismus satt und wir haben den Paternalismus der Europäer satt. Wir wollen die WM nicht aus Mitleid, sondern weil wir etwas vom Fußballbusiness und vom Fußball verstehen.“