Moskauer Distanz mit Hintertür

Moskau (taz) – „Wir unterhalten immer noch gute Beziehungen zu Deutschland, und daran wollen wir auch nichts ändern“, meinte Russlands Aussenminister Igor Iwanow nach dem ersten Zusammentreffen mit Amtskollege Joschka Fischer gestern in Moskau. Die vorsichtige Formulierung Iwanows macht es deutlich: Das Verhältnis zwischen Moskau und Berlin hat sich seit dem Ende der Ära-Kohl spürbar abgekühlt.

Von Anfang an begegnete der Kreml der rot-grünen Bundesregierung Schröder mit Zurückhaltung. Der Grund dafür: Das berechtigte Vorhaben, im Umgang mit dem strauchelnden Riesen mehr Realitätssinn walten zu lassen, hatte im Herbst 1998 die mit osmotischer Sensibilität begabten russischen Außenpolitiker sichtlich gekränkt. Bonns neuer Realismus entpuppte sich unterdessen als Desinteresse und eklatanter Mangel an Sachkenntnis.

In der Kosovo-Krise im Frühjahr vergangenen Jahres war es dennoch Außenminister Joschka Fischer, der sich bemühte, das schmollende Moskau nicht ins Abseits zu drängen und Russland in der Krise eine Vermittlerrolle zuzuspielen. Der Einsatz der Bundeswehr im Kosovo und die deutsche Zustimmung zur neuen Nato-Strategie haben Fischers Bemühungen, ausgleichend zu wirken, in der russischen Wahrnehmung indes überschattet.

Seit dem blutrünstigen zweiten Vernichtungsfeldzug in Tschetschenien und Berlins verhaltener Kritik hat sich der Eindruck in Moskau sogar eher noch verschärft, Deutschland sei die treibende, wenn nicht einzige Kraft, die Russland über den Europarat mit Sanktionen drohe.

Der bekannte Deutschlandexperte Igor Maksimytschew vom Moskauer Europainstitut nannte Fischer zum Auftakt der Moskauvisite in der Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta gar den „Totengräber der russisch-deutschen Beziehungen“. Eines nicht mehr fernen Tages, so der Kommentator, werde sich „das westeuropäische Konzert in eine deutsche Solonummer verwandeln“.

Joschka Fischer sei bereits der „Vorsänger“. Der Autor gehört noch jener Generation von Sowjetdiplomaten an, die als Dank für die deutsche Wiedervereinigung, wenn nicht Treue, so doch Zurückhaltung und wesentlich mehr Verständnis für Russlands Position auf dem Balkan und im Tschetschenien-Konflikt erwartet hätten.

Außenminister Igor Iwanow sandte im Vorfeld der Visiten des italienischen und deutschen Amtskollegen indes Signale aus, die Moskaus Absicht verraten, sein Verhältnis zum Westen doch vorsichtig zu korrigieren. Iwanow schrieb in einem Beitrag für die Nesawissimaja Gazeta: „Die Tür für eine Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen der Nato und Russland ist nicht geschlossen.“

Klaus-Helge Donath