Wo war die aggressive Manndeckung?

■ Manchen Zuschauern war die 77:89-Niederlage der BCJ Tigers ziemlich egal.

Wer am Samstagabend eine Viertelstunde vor Anpfiff vor der Wandsbeker Sporthalle stand, bekam den Spielbeginn dennoch nicht mit. Denn vor dem Haupteingang tummelte sich eine (Jung-) Menschentraube, die auch als durchschnittliche Klientel der „Backstreet Boys“ hätte durchgehen können. Doch im Gegensatz zu den Darbietungen der Teenager-Heroen gibt es bei Spielen der Basketball-Bundesliga auch ermäßigte Eintrittskarten, was langwierige Kontrollen von Schülerausweisen und HVV-Monatskarten zur Folge hatte.

Indes war die Szenerie im Eingangsbereich nicht das Einzige, das eher an ein Pop-Event denn an eine Sportveranstaltung im klassischen Sinne erinnerte: Während des gesamten Spieles trieben 15 Cheerleader ihr Unwesen, und der Hallensprecher jagte Gassenhauer wie das Queensche „We will rock you“ durch die Boxen. All diese Versuche, Stimmung zu erzeugen, waren jedoch insofern vergebens, als das Publikum auch ohne externe Animation gewillt war, seine Existenz akustisch zu belegen.

So stimmgewaltig die 2.000 Zuschauer ihr Team nach vorne schrien – die Tigers überhörten die Signale. Während kein einziger Drei-Punkte-Wurf und kaum ein Rebound zu verzeichnen war, gab es überhastete Abschlüsse und Ballverluste en masse zu sehen. Zwar gelang es dem von Peter Schomers betreuten Team in der ersten Hälfte noch, die Begegnung halbwegs offen zu halten. Doch trotz des würdigen Zwischenstandes von 38:45 war wohl jedem in der Halle klar, dass Würzburg das Feld als Sieger verlassen würde. Zumals der Gast gekonnt seine Stärken – Schnelligkeit und Aggressivität – ausspielte. Folgerichtig zogen die Franken in der zweiten Hälfte dann auch streckenweise mit 20 Punkten Vorsprung davon.

Während der Star der Tigers, Mike Penberthy, schwach blieb, bestätigte Würzburgs Jungnationalspieler Robert Garret die hervorragende Form der letzten Spiele. Wie bereits beim Hinspiel war der 22-jährige Point Guard bester Mann auf dem Feld und steuerte 27 der 89 DJK-Treffer bei. Peter Schomers, der im November den glücklosen Tim Butler abgelöst hatte, gestand dann auch ein, dass die Niederlage völlig verdient war.: „Wir haben von den Außenpositionen nicht getroffen, hatten eine schwache Reboundarbeit in der Defensive und konnten Würzburg nicht unter Druck setzen.“

Die Mehrheit der etwa 2.000 Zuschauer zeigte sich von der Unterlegenheit ihres Teams allerdings nicht sonderlich geschockt: „Ich komme hier eher wegen der tollen Stimmung her. Außerdem ist auf dem Feld immer was los“, dürfte die Aussage von „Tigers“-Fanin Janina Petersen durchaus die Motivation vieler jüngerer Zuschauer widergeben. Beim Weg aus der Halle waren jedenfalls Gespräche über das Aussehen der Protagonis-ten wesentlich öfter zu hören als Kommentare zum Spiel. Eine offenbar schwer pubertierende Zuschauerin gab das auch unumwunden zu. Als ein älterer Zuschauer bemängelte, von „aggressiver Manndeckung“ sei „überhaupt nichts zu sehen“ gewesen, drehte sie sich abrupt um: „Natürlich nicht, ich war ja auch nicht auf dem Platz.“ Christoph Ruf