Mütter und Söhne

■ Vertrackte Doppelrolle: Joop Admirals „Du bist meine Mutter“ am Theater N.N.

Trotz Widrigkeiten scheinen die Gene zusammen zu kleben. Dabei ist es eine vertrackte Liebe. Für ihn, weil sie so eine dominante Mutter war und er ihre Forschheit liebte. Für sie, weil er „aus ihr kam“ und doch eigentlich ein Mädchen sein wollte. Und weil sie ihn als gebrechliche und vergessliche Alte noch mehr brauchte.

Das autobiografische Stück des niederländischen Autors und Schauspielers Joop Admiral handelt von einer der sonntäglichen Begegnungen zwischen dem 45-jährigen Schauspieler und seiner 80-jährigen Mutter im Pflegeheim. Harald Maack übernimmt mit großer Hingabe beide Charaktere. Dabei springt er nicht hin und her, sondern blendet über: Mal ist er die tatterige, kurzsichtige Mutter mit knarzender Stimme. Dazwischen spricht er die Rolle des Sohnes, ohne die Gestik und Mimik der Mutter zu verlassen. Fließend ist der Übergang, wenn er wieder Sohn ist und im Dialog mit sich selbst die Stimme der Mutter erklingt. Und für den ritualisierten Alltag der beiden hat Regisseur Dieter Seidel immer wieder überraschende Momente gefunden.

Im Vergleich zur Inszenierung von vor vier Jahren kommen hier zuweilen neue Facetten der Mutter zutage. Und auch Joop schafft es nicht immer, die Geduld aufzubringen, die dieser gebrechliche Mensch fordert. Beim zeitlupenhaften Anziehen entdeckt sie zum Beispiel jedes der alten Kleidungsstücke neu. „Schön, echte Baumwolle. Haben wir das zusammen gekauft? Bei Maison de Vries, die haben immer so dezente Farben.“ Konstanten beim sonntäglichen Spaziergang sind die Packung Kakao, die Joop in einer Plastiktüte dabei hat, und die Familienpackung Pudding, den sie gierig wegschnalzt.

Maack schafft es dabei immer wieder, in den sehr charmant und phantasievoll genutzten Räumlichkeiten des Kulturbahnhofs (Bühnenbild: Paul Sachse) den agierenden und zuschauenden Menschen ganz nah zu sein. So nah, dass eine Zuschauerin nach wiederholtem Applaus das Ende des Stückes mit einem erleichterten Seufzer goutiert. Stefanie Behrens

weitere Vorstellungen: 28., 29. und 30. Januar (und 11., 12. und 13. Februar) Theater N.N., Kulturbahnhof Altona, Luke 18, 20 Uhr