Ein Hauch von Schmieröl und Elysee

Das Modell Elf Aquitaine: Wie Frankreichs Mineralölkonzern wurde, was er war – staatliche Machtstütze diverser Regime

Paris (taz) – Als Helmut Kohl noch mit Journalisten sprach, erzählte er ihnen einmal, dass er seit seiner Kindheit mit dem „Duft der Chemie“ lebe. Mit dieser Erfahrung ist der Bundestagsabgeordnete (CDU) nicht allein. Auch die französische Fünfte Republik ist mit der Mineralöl- und Chemieindustrie groß geworden. Schon wenige Jahre nach ihrer Ausrufung gründete Paris ein Unternehmen, das auf den Duft der gewinn- und einflussversprechenden Branche spezialisiert war. Das war 1966.

Das Unternehmen hieß „Erap“ (für: Abbau und Produktion von Mineralölen) und war selbstverständlich staatlich. Sein Gründer, Pierre Guilleaumat, war ein erfahrener Geheimdienstler und zugleich ein Vertrauter von Staatspräsident Charles de Gaulle. Dank Guilleaumats weltweiter Netze und der engen Verbindungen zwischen Metropole und den Ex-Kolonien, entwickelte sich das bald in Elf umbenannte Unternehmen zu einem der ganz großen französischen Multis. Fürs Prestige sorgten die Gasvorkommen in der südwestfranzösischen Region Aquitaine: Frankreich war ein mineralölproduzierendes Land.

Elf baute in Afrika, Lateinamerika, im Nahen Osten und in den letzten Jahren auch im Kaukasus und in Deutschland (Ost) gigantische industrielle Anlagen auf; war – wie beispielsweise im Iran – die wichtigste industrielle Vertretung französischer und vielfach auch europäischer Interessen vor Ort, und entwickelte sich für zahlreiche Regime, speziell in frankophonen afrikanischen Länder, zur wesentlichen Machtstütze .

Während dieser jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte blieb Elf ein Politikum. Die Besetzung des Elf-Präsidentenpostens wurde im Elysée-Palast entschieden. Und viele der im Elf-Turm entschiedenen Geschäfte hatten nichts oder nur wenig mit Mineralöl zu tun.

Anfang der Jahre beschäftigte Elf knapp 90.000 Menschen in 28 Ländern und pflegte Geschäftspraktiken, die so undurchsichtig waren wie zu den Gründerzeiten Guilleaumats. Doch seit der Privatisierung (ab 1993) hat sich der Konzern verändert. Ein neuer Chef, Philippe Jaffré, veröffentlichte erstmals Interna über fragwürdige Machenschaften seiner Vorgänger. Zwei Pariser Untersuchungsrichterinnen eröffneten eine Untersuchung über Elf, die inzwischen eine Menge politischer und industrieller Prominenz, darunter auch Ex-Elf-Chef Loik Le Floch-Prigent, für viele Monate ins Gefängnis gebracht hat. Auch die zentrale Parole änderte sich nun. Statt „Staatsraison“ heißt es jetzt bei Elf: „Rendite.“

Ende letzten Jahres wurde Elf mit einer über 100 Milliarden schweren Übernahme von TotalFina geschluckt. Frankreich hat damit – nach Exxon, Shell und Royal Dutch – den viertgrößten Mineralölkonzern der Welt. Und Elf geriet von der weltweiten Schmiererei in seine erste nationale Ölpest. Das vor der bretonischen Küste auseinandergebrochene Tankschiff „Erika“ war von TotalFina-Elf angeheuert worden. Dorothea Hahn