Traurige Hooligans

„Parallelmontage“: Das Haus am Kleistpark zeigt Arbeiten der Berliner HdK und der Hamburger Kunsthochschule. Die Klassen von Heinz Emigholz und Silke Grossmann bezwingen wilde Medienmonster ■ Von Harald Fricke

Gleich ist es so weit. Auf allen drei Videoprojektionen kommen die Bilder aus einem fahrenden Paternoster zum Stillstand. Wieder hat keiner gewonnen: Links steht eine Dame in Kostüm im Fahrstuhl, rechts sieht man eine Szene zum Jüngsten Gericht, in der Mitte bleibt die Bildfläche weiß. Der Jackpot aber geht an Meggie Schneider. Ihre Installation zeigt, wie spielerisch und zugleich punktgenau das Konzept zu „Parallelmontage“ im Haus am Kleistpark funktioniert.

Die Ausstellung, an der sich gut 50 StudentInnen der HdK Berlin und der HfbK Hamburg beteiligen, widmet sich dem Zusammenspiel von Medien: Was für Kontexte lassen sich durch Video, Foto, Skulptur, durch Schriftbilder und TV-Collagen herstellen? Parallelmontagen eben. Dabei wird die Hamburger Fraktion von Silke Grossmann in Fotografie ausgebildet, und die Berliner lernen bei Heinz Emigholz „Experimentelle Filmgestaltung“ (das Begleitprogramm läuft im Arsenal-Kino).

Inhaltlich gibt es allerdings wenige Gemeinsamkeiten, und auch formal driften die Exponate weit auseinander. Mal bekommt man eine Fülle von Material vorgesetzt, andere Arbeiten bleiben still und verschlossen. Während Isabell Spengler über mehrere Monate lesbische Frauen aus der israelischen Armee zu ihrer Sexualität befragt hat und das Ergebnis nun mit Porträtfotos und einem Archiv der Interviews dokumentiert, fotografiert Nadine Jung verbogene Äste auf der Suche nach eingängigen Metaphern für eine ins Stolpern geratene Zeichensprache.

Überhaupt gibt es ein Überangebot an ästhetischen Strategien zur Bewältigung der Medienmonster. Hugo Stuber hat Fernsehgeräte aus Holz geschnitzt, um einen ironischen Abstand zur permanenten Infotainmentwelt zu finden; Stefan Hayn hat sich auf U-Bahnhöfe gesetzt, um den kargen Realismus von Reklametafeln abzumalen; und bei Christine Heubi paaren sich Bodybuilding-Studio und Tankstelle als Pixelpark-Fantasie in einem computeranimierten Raum. Zwischen all diesen Bekenntnissen zu High- bzw. Low-Techniken gibt die Installation von Heike Ollertz dem Ganzen eine recht Old-School-mäßige Erdung: Sie hat minimalistische Gedichte von Eckhard Rhode zu Schriftfilmen umgearbeitet, die das Publikum nun an Geräten aus dem Schnittraum per Hand vorwärts drehen kann. So entsteht der Text aus der Bewegung, als Kino der konkreten Poesie.

Für Las Theuerkauff bedeutet Montage dagegen Widerspruch. Sein Doppelvideo „Candy“ zeigt, wie tief die Kluft zwischen den Zeichen und den Dingen werden kann, wenn man sie nur für ein paar Augenblicke parallel existieren lässt. Auf dem rechten Monitor zieht sich eine schwarzhaarige Frau ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Candy“ über, geht auf den Balkon, lässt sich von einem durchtrainierten jungen Mann streicheln. Links dagegen sieht man die Hölle von Brüssel 1985: Entsetzte Fußballfans irren nach ihrer Flucht vor Hooligans auf dem Rasen im Heysel-Stadion umher. Einer steht am Torpfosten und trägt das gleiche Hemd wie seine Nachbarin auf dem Bildschirm nebenan. Er weint, und sie lächelt. In diesem Moment wäre er vermutlich lieber in ihrem Film.

Bis 20. 2., Di.–So. 12–18 Uhr, Haus am Kleistpark, Grunewaldstr. 6–7. Heute findet um 18.30 Uhr im Arsenal eine Diskussion zum Thema „Was war Avantgarde?“ zwischen Stefan Hayn und Jan Peters statt. Weitere Termine: 1. 2. (mit Harun Farocki und Klaus Wyborny) und 8. 2. (mit Birgit Hein und Heinz Emigholz)