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: Freiflug

Peter Strieder checkt bei Dussmann ein – und viele fürchten das Ende unabhängiger Politik sowie den Beginn von Auftragsarbeit, Verbindlichkeit oder gar Korruption. Berlin kommt gleich nach Kohl und Kanther. Dussmann ist nicht besser als die WestLB. Doch was ist geschehen? Ein Senator ist in einem Firmenjet nach Moskau geflogen, um dort als Lobbyist für Berliner Unternehmen im Besonderen und die Stadt im Allgemeinen zu werben. Für den Flug wurde der Landeshaushalt nicht beansprucht, Berlin also Geld gespart. Dass auch noch ein paar Russen über den Tisch gezogen wurden, kommt als Nebeneffekt dazu. Einziger Fauxpas: Der Bausenator hat die Aktion nicht rechtzeitig öffentlich gemacht. Jetzt hat Strieder den Schwarzen Peter und die Moral an der Backe.

Zu Recht? Die Maßstäbe zwischen Politik und Wirtschaft haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren verändert. Politiker sind nicht mehr wie zu seligen sozialdemokratischen Zeiten Antipoden unternehmerischer Interessen. Von Unternehmen wird verlangt, dass sie sich am Diskurs und Projekten öffentlicher Infrastruktur beteiligen, Stadtteile in Public-private-Partnership entwickeln, große Ausstellungen und Sportveranstaltungen sponsern oder aktiv Werbung für eine Region mittragen. Natürlich tun sie das nicht just for honor, sondern mit dem Anspruch der Mitsprache und Partizipation.

Nimmt man das ernst, können sich Politiker wie Strieder weder den eigenen Vorgaben noch den Begehrlichkeiten von Firmen wie Dussmann, debis oder Sony entziehen. Unabängigkeit ist ein Euphemismus. Schaut man sich etwa die Baubranche in der Stadt an, wäre man mit Blindheit geschlagen zu glauben, es existierte ein interessenfreier Diskurs über Stadtplanung. Es gibt eine „Stimmann-Mafia“ und eine „Anti-Stimmann-Mafia“. Schwebt der Bausenator etwa als unabhängiger Geist zwischen den Kontrahenten? Ein Tor, wer so was denkt.

Was also ist anrüchig an einem Job, der Teil eines gängigen Spiels geworden ist? Nichts anderes als die Verschämtheit, dies nicht zuzugeben. Wer fliegt, muss sagen, wohin, mit wem und wofür. Die Transparenz der Dienstbarkeit muss offen liegen. Ein VW-Schröder oder Dussmann-Strieder ist allemal offenbarer als der Glaube an Saubermänner, die sie nicht mehr sind oder sein können.

Einzuklagen wäre darüber hinaus noch etwas anderes: nämlich die demokratische Kontrolle von Unternehmen und deren Handeln. Dann kennt man seine Pappenheimer.

Rolf Lautenschläger