■ Das Portrait
: Kreativer Rücktritt

Jil Sander

Jil Sander, Unternehmensgründerin und Modedesignerin aus Hamburg, war noch nie eine Frau von Kompromissen. Mit ihrem angekündigten Rücktritt als Vorstandsvorsitzende der Jil Sander AG beendete sie alle seit Monaten wuchernden Gerüchte um ihre Person. Denn ihr Einfluss auf die Unternehmenspolitik ist seit dem Verkauf der Aktienmehrheit an die italienische Prada im August 1999 zunehmend geschwunden.

Prada zahlte seinerzeit für 75 Prozent der Stammaktien rund 275 Millionen Mark. Neben der Vorstandsvorsitzenden Sander wurde Prada-Chef Patrizio Bertelli – Ehemann der Chefdesignerin Prada – als Vorsitzender im Aufsichtsrat platziert. Die Probleme zwischen den beiden ließen nicht lange auf sich warten: Zuletzt wurde beispielsweise über die Qualität der Accessoires gestritten. In weiteren Bereichen hätte sich Sander Bertelli beugen müssen. Zu viel für die erfolgsverwöhnte Geschäftsfrau, die ausschließlich Hosen aus der eigenen Kollektion trägt und immer auf die Qualität ihrer Stoffe großen Wert gelegt hat.

Denn in der ständigen Optimierung der Stoffqualität sowie der Entwicklung neuer Materialien liegt der Aufstieg Sanders zur Star-Designerin begründet. Nachdem die gelernte Textilingenieurin, die sich zunächst als Modejournalistin einen Namen machte, 1968 ihre erste Boutique in Hamburg-Pöseldorf eröffnete, ging alles sehr schnell. So machte Sander ihre eigenen Kollektionen bekannt und entwickelte nebenher Handtaschen, Schuhe, Brillen und Kosmetikserien. In den Achtzigerjahren wurde der italienische und amerikanische Modemarkt erobert, Boutiquen in Mailand und New York eröffnet. Schließlich führte die noch immer ledige Sander 1989 das Unternehmen an die Börse, was ihr über 80 Millionen Mark einbrachte, ohne dass sie die Entscheidungskompetenz im Unternehmen abgeben musste.

Mit knapp über 200 Millionen Mark Umsatz und weltweit 450 Mitarbeitern ist Jil Sander dennoch ein mittelständisches Unternehmen geblieben. Und diese haben es in der Modebranche schwer. Denn der Konzentrationsprozess – allein 1998 wurden 58 Übernahmen gezählt – hält weiter an. Prada erwirtschaftete bereits vor der Sander-Übernahme im letzten Jahr nahezu zwei Milliarden Mark Umsatz. Zu viel für Sander, die nun künftig wieder kreativ tätig werden möchte. Für die Kollektion 2000 betreut Sander die Bereiche Design und Styling und kehrt damit zu ihren Wurzeln zurück.

Christian Krämer